Ein Vitamin-B12-Mangel ist eine Form des Vitaminmangels, in welchem der Körper weder genügend biologisch aktives Vitamin B12 (Cobalamin) gespeichert hat, noch zugeführt bekommt.
Der durchschnittliche tägliche Bedarf an Vitamin B12 beträgt etwa 2 µg.
Das Vitamin wird bei mehr als 100 Vorgängen im Körper gebraucht. Eine wichtige Rolle spielt es u.a. bei der Blutbildung (Erythropoese), beim Wachstum, bei der Zellteilung und Zellreifung, im Methionin-/Homocysteinstoffwechsel (als Cofaktor), bei der Nukleinsäuresynthese, sowie im Aminosäure-, Kohlenhydrat- und Fettsäurestoffwechsel.
Bei Gesunden ist in den Körpergeweben - vor allem in der Leber - eine Menge an Vitamin B12 gespeichert, die den Bedarf für durchschnittlich 2 bis 3 Jahre deckt. Dadurch kann der direkte Zusammenhang zwischen Ursache und Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels manchmal schwer erkennbar sein. Der Mangel tritt verzögert und schleichend auf.
Ein Vitamin-B12-Mangel ist weniger selten als allgemein angenommen, und beschränkt sich nicht nur hauptsächlich auf Personen im hohen Alter. Die Inzidenz eines Vitamin-B12-Mangels in der Gesamtbevölkerung wird mit 5 bis 10% angegeben. Als Risikogruppen gelten:
Bei Personen im hohen Alter tritt der Mangel oft auf Grund einer verminderten Resorption auf. Ein Vitamin-B12-Mangel äußert sich in etwa zwei Drittel der Fälle zunächst oder hauptsächlich durch neurologische und/oder neuropsychiatrische Symptome (vs. Anämie). In dieser Patientengruppe ist ratsam, bei Anzeichen von Altersdemenz und/oder Depression an einen Vitamin-B12-Mangel als Ursache zu denken.
Gleiches trifft allgemein bei Patienten mit neurologischen Symptomen unklarer Ätiologie zu. Oft beeinträchtigen die neurogische Symptome des Mangels den Patienten subjektiv schon stark, bevor diese mit objektiven Messmethoden festgestellt werden können.
Da ein Mangel nicht selten auch psychische Symptome oder ausgeprägtere psychiatrische Symptome (u.A. Depression) und eine vielzahl an diffuse Beschwerden auslöst, droht Betroffenen oft eine falsche Diagnose.
Es gibt mehrere Ursachen eines Vitamin-B12-Mangels:
Neben Magenveränderungen ist auch an den eigentlichen Resorptionsort, das terminale Ileum zu denken, das durch Morbus Crohn oder natürlich auch durch Resektion ausfallen kann.
Auch unterschiedliche Medikamente können auf Dauer einen Vitamin-B12-Mangel verursachen. Einige davon sind: Protonenpumpenhemmer, H2-Antihistaminikum, Metformin.
Weitere Ursachen des Mangels können u.a. sein:
Während oder nach einer Schwangerschaft kann ein latenter Vitamin-B12-Mangel plötzlich symptomatisch werden, gleiches kann auch durch eine längere Exposition gegenüber Lachgas (N2O) auftreten, wenn dieses z.B. bei einer Narkose verwendet wird (Inaktivierung des Vitamins durch N2O).
Bei einem Vitamin-B12-Mangel kommt es in einem späteren Stadium zu einer Vitamin-B12-Mangelanämie (alter Name: perniziöse Anämie), einer Form der megaloblastären Anämie. Sie entsteht durch eine mangelnde DNA-Synthese, für die Vitamin B12 essentiell ist.
Ebenso wichtig ist das Vitamin B12 für die Nerven, das es essentiell für den Aufbau der Myelinhüllen ist. Oft tritt eine periphere Neuropathie bereits vor einer Anämie auf. Sie kann sich als Störung der Tiefensensibilität und des Vibrationsempfindens, als unangenehme schmerzhafte Parästhesie oder als motorischer Ausfall bis hin zur Lähmung manifestieren (Funikuläre Myelose). Wegen der allgemeinen Bedeutung für die Zellneubildung sind prinzipiell alle stark proliferierenden Gewebe von dem Mangel beeinträchtigt. So kommt es auch in Haut und Schleimhäuten zu schweren Zellteilungsstörungen. Dies hat durch entsprechende durch Schleimhautveränderungen meistens gastrointestinale sowie neurologische Symptome (Verlust der Tiefensensibilität oder des Vibrationsempfindens) zur Folge.
Hinweis: Neurologische Symptome, können, durchaus und öfter als allgemein angenommen, auftreten, ohne dass eine Anämie vorliegt.
Den hämatologischen und neurologischen Störungen geht oft eine längere Periode mit diffusen Symptomen voraus. Als frühe Symptome können unter anderem Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisschwäche, Depression, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Migräne (ohne Aura), Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien, Parästhesien, Rückenschmerzen, Muskelschwäche, Inappetenz, Burning-Mouth-Syndrom, Aphthen oder Glossitis auftreten. Der Verlauf ist oft langsam progressiv und Symptome vielfältig und können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Oft haben Patienten mit Vitamin-B12-Mangel eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
Bei Säuglingen äußert sich der Mangel durch häufiges Schreien (sog. "Schrei-Baby") und es können (z.T. schwere und irreversible) Entwicklungsstörungen auftreten. Obwohl die Ursache hier fast immer ein maternaler Mangel ist, kann die Mutter frei von klinischen Symptomen sein.
Ein unbehandelter Vitamin-B12-Mangel soll auch mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs einhergehen.
Die alleinige Messung und Betrachtung des Gesamt-Vitamin B12 gibt keine zuverlässige Auskunft darüber, ob ein Mangel an Vitamin B12 vorliegt. Eine bessere Sensitivität hat die Bestimmung des Holo-Transcobalamin. Gute Frühindikatoren für einen Vitamin-B12-Mangel sind außerdem erhöhte Spiegel von Homocystein und Methylmalonsäure im Serum sowie ein erhöhtes MCV.
Nach sichergestellter Diagnose wird Vitamin B12 entweder oral als Nahrungsergänzung genommen (nur bei Mangel durch Fehlernährung) oder mehrmals pro Jahr intramuskulär gegeben. Ob eine ausreichende Resorption gegeben ist, kann durch den Schilling-Test überprüft werden. Resorptionsstörungen (Magen, terminales Ileum) kann man auch durch orale Dosiserhöhung auf das 1000-fache überwinden, also Milligram statt Mikrogramm, um die dauerhaften Injektionen zu vermeiden. Vitamin B12 sollte immer zusammen mit Folsäure verabreicht werden.
Review im Deutschen Ärzteblatt, Stand 2008, frei zugänglich.
Tags: B12, Cobalamin, Demenz, Depression, Funikuläre Myelose, Perniziöse Anämie, Vitamin B12, Vitaminmangel
Fachgebiete: Allgemeinmedizin, Gerontologie, Hämatologie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Neurologie, Pränatalmedizin, Psychiatrie
Diese Seite wurde zuletzt am 14. Juli 2020 um 15:00 Uhr bearbeitet.
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