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− | Die '''fokale dermale Hypoplasie''', kurz '''FDH''', ist eine seltene [[x-chromosomal-dominant]] vererbte Bindegewebsstörung mit [[Fehlbildung]]en von [[Haut]], [[Auge]]n, [[Ohr]]en und [[Zahn|Zähnen]] sowie des [[Skelettsystem]]s. Ursächlich ist ein Defekt im [[PORCN]]-Gen, der bei männlichen Trägern früh zum Tod führt. Bei den bekannten Fällen handelt es sich deshalb beinahe ausschließlich um weibliche Patienten. | + | Die '''fokale dermale Hypoplasie''', kurz '''FDH''', ist eine seltene, [[x-chromosomal-dominant]] vererbte Bindegewebsstörung mit [[Fehlbildung]]en von [[Haut]], [[Auge]]n, [[Ohr]]en und [[Zahn|Zähnen]] sowie des [[Skelettsystem]]s. Ursächlich ist ein Defekt im [[PORCN]]-Gen, der bei männlichen Trägern früh zum Tod führt. Bei den bekannten Fällen handelt es sich deshalb beinahe ausschließlich um weibliche Patienten. |
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− | Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich in der Regel ab der Geburt streifige oder (klein-)fleckige Hautläsionen bevorzugt an Rumpf und rumpfnahen Extremitäten. Die betroffenen Areale sind gerötet, eingesunken, hypo- oder [[hyperpigmentiert]] und - besonders in der frühen Phase - entzündlich verändert, teilweise auch erodiert oder ulzeriert und nässend. Innerhalb oder im Randbereich der Läsionen finden sich insbesondere bei Lokalisation an den Gliedmaßen gelegentlich von intakter Haut überkleidete | + | Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich in der Regel ab der Geburt streifige oder (klein-)fleckige Hautläsionen bevorzugt an Rumpf und rumpfnahen Extremitäten. Die betroffenen Areale sind gerötet, eingesunken, [[hypopigmentiert|hypo]]- oder [[hyperpigmentiert]] und - besonders in der frühen Phase - entzündlich verändert, teilweise auch [[erodiert]] oder [[ulzeriert]] und nässend. Innerhalb oder im Randbereich der Läsionen finden sich insbesondere bei Lokalisation an den Gliedmaßen gelegentlich von intakter Haut überkleidete [[polypoid]]e, weiche [[Tumor]]en. Sie können aufgrund des in ihnen enthaltenen Fettgewebes gelblich erscheinen. Nahe den Körperöffnungen sieht man warzenartige [[Papel]]n, zusätzlich können [[Teleangiektasie]]n, [[Nageldystrophie]] oder [[Anonychie]] und [[fokal]]e [[Alopezie]] auftreten. |
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− | Manifestationen an den Augen treten auf als [[Hypertelorismus]], Mikro- oder [[Anophthalmie]], [[Aniridie]], [[Strabismus]], [[Nystagmus]], [[Glaukom]], [[Netzhautablösung]] oder [[Kolobom]] von [[Iris]], [[Retina]], [[Choroidea]] oder [[ | + | Manifestationen an den Augen treten auf als [[Hypertelorismus]], [[Mikrophthalmie|Mikro]]- oder [[Anophthalmie]], [[Aniridie]], [[Strabismus]], [[Nystagmus]], [[Glaukom]], [[Netzhautablösung]] oder [[Kolobom]] von [[Iris]], [[Retina]], [[Choroidea]] oder [[Nervus opticus]]. An den Zähnen beziehungsweise in der Mundhöhle können [[Zahndysplasie]]n oder partielle [[Zahnagenesie]]n, [[Anodontie]], Störungen des [[Zahnschmelz]]es oder eine papilläre [[Gingivahyperplasie]] (knapp die Hälfte der Fälle) als Teil des Krankheitsbildes auftreten. [[Mikrokranie]], Asymmetrie des Gesichts und [[Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte]]n in unterschiedlicher Ausprägung sowie charakteristische faziale [[Dysmorphie]]n sind beschrieben. Die Beteiligung der Ohren kann [[Schallempfindungsschwerhörigkeit|Schallempfindungs]]- oder [[Schallleitungsschwerhörigkeit]] bis zur Taubheit beinhalten. |
===Veränderungen des Skelettsystems=== | ===Veränderungen des Skelettsystems=== | ||
− | Am Skelett manifestiert sich die Krankheit häufig als Hypo- oder [[Aplasie]] der Finger, Syn- oder [[Polydaktylie]] | + | Am Skelett manifestiert sich die Krankheit häufig als [[Hypoplasie|Hypo]]- oder [[Aplasie]] der Finger, bzw. in ca. zwei Drittel der Fälle als [[Syndaktylie|Syn]]- oder [[Polydaktylie]]. Weitere [[Malformation]]en des Skelettsystems umfassen Asymmetrie von Rumpf und Extremitäten (in ca. einem Drittel der Fälle), [[Kyphose]]n, [[Skoliose]]n und [[Spina bifida occulta]]. Eine Neigung zu fragilem Knochenbau und früher Entwicklung einer [[Osteoporose]] ist beschrieben. |
===Weitere Veränderungen=== | ===Weitere Veränderungen=== | ||
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==Diagnose== | ==Diagnose== | ||
− | Bei Vorliegen von mindestens drei charakteristischen Hautveränderungen und mindestens einer Malformation der Extremitäten lässt auf eine FDH schließen. | + | Bei Vorliegen von mindestens drei charakteristischen Hautveränderungen und mindestens einer Malformation der Extremitäten lässt auf eine FDH schließen. Die Mutationen im PORCN-Gen können [[molekularbiologisch]] nachgewiesen werden. Auf diese Weise ist auch eine [[pränatal]]e Diagnosestellung möglich. |
===Pathohistologie=== | ===Pathohistologie=== | ||
− | Die eingesunkenen Hautareale zeigen histologisch eine verschmälerte [[Epidermis]] mit Verdrängung der unterliegenden [[Dermis]] durch [[Fettgewebe]]. Das erhaltene dermale Bindegewebe weist einen verminderten Gehalt an [[Kollagenfasern]] auf, [[elastische Fasern]] dagegen können vermehrt vorhanden und die Faserbündel verdickt sein. Bei | + | Die eingesunkenen Hautareale zeigen histologisch eine verschmälerte [[Epidermis]] mit Verdrängung der unterliegenden [[Dermis]] durch [[Fettgewebe]]. Das erhaltene dermale Bindegewebe weist einen verminderten Gehalt an [[Kollagenfasern]] auf, [[elastische Fasern]] dagegen können vermehrt vorhanden und die Faserbündel verdickt sein. Bei Hyperpigmentierung zeigen sich eine lokalisierte [[Akanthose]], erhöhter epidermaler [[Melanin]]gehalt und [[Melanophage]]n in der papillären Dermis. Die [[Reteleiste]]n sind keulenförmig. Entzündliche Veränderungen können in unterschiedlichem Ausmaß vorliegen. |
− | Auch im Bereich der [[lipomatös]]en Tumoren sind Epidermis und Dermis schmal, kollagene und elastische Fasern können vermindert sein. In der Dermis zeigen sich Ansammlungen von | + | Auch im Bereich der [[lipomatös]]en Tumoren sind Epidermis und Dermis schmal, kollagene und elastische Fasern können vermindert sein. In der Dermis zeigen sich Ansammlungen von [[Adipozyt]]en, die sich bis in die papilläre Dermis und an die dermoepidermale Grenze ausdehnen können. [[Adnex]]strukturen wie [[Haarfollikel]] und [[Talgdrüse]]n können dadurch in die Dermis verlagert oder in geringerer Dichte vorhanden sein. |
− | Die papulösen Läsionen um die Körperöffnungen zeigen eine epidermale | + | Die papulösen Läsionen um die Körperöffnungen zeigen eine epidermale Hyperplasie mit [[Hyperkeratose]] und [[Papillomatose]]. Die Dermis ist wiederum schmal mit feinen Kollagenfasern und Zunahme der [[Vaskularisation]] im [[Stratum papillare]]. |
===Radiologie=== | ===Radiologie=== | ||
− | Radiologisch zeigt sich in der [[Metaphyse]] langer Röhrenknochen eine longitudinale Streifung (Osteopathia striata). | + | Radiologisch zeigt sich in der [[Metaphyse]] langer Röhrenknochen eine longitudinale Streifung ([[Osteopathia striata]]). |
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− | Das histologische Bild ist dem des Naevus lipomatosus superficialis sehr ähnlich, auch ein [[Fibrom]] mit lipomatöser Komponente käme differentialdiagnostisch in Betracht. Charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zu beiden Krankheitsbildern ist der deutlich verminderte dermale Kollagenfasergehalt | + | Das histologische Bild ist dem des [[Naevus lipomatosus superficialis]] sehr ähnlich, auch ein [[Fibrom]] mit lipomatöser Komponente käme differentialdiagnostisch in Betracht. Charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zu beiden Krankheitsbildern ist der deutlich verminderte dermale Kollagenfasergehalt bei der fokalen dermalen Hypoplasie. |
==Therapie== | ==Therapie== | ||
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* CJ Ko, RJ Antaya, A Zubek, et al.: Revisiting histopathologic findings in Goltz syndrome. J Cutan Pathol. 43:418-421 2016 | * CJ Ko, RJ Antaya, A Zubek, et al.: Revisiting histopathologic findings in Goltz syndrome. J Cutan Pathol. 43:418-421 2016 | ||
* MP Lombardi, S Bulk, J Celli, et al.: Mutation update for the PORCN gene. Hum Mutat. 32:723-728 2011, | * MP Lombardi, S Bulk, J Celli, et al.: Mutation update for the PORCN gene. Hum Mutat. 32:723-728 2011, | ||
− | SM Maas, MP Lombardi, AJ van Essen, et al.: Phenotype and genotype in 17 patients with Goltz-Gorlin syndrome. J Med Genet. 46:716-720 2009 | + | * SM Maas, MP Lombardi, AJ van Essen, et al.: Phenotype and genotype in 17 patients with Goltz-Gorlin syndrome. J Med Genet. 46:716-720 2009 |
* L Mary, S Scheidecker, M Kohler, et al.: Prenatal diagnosis of focal dermal hypoplasia: report of three fetuses and review of the literature. Am J Med Genet A. 173:479-486 2017, | * L Mary, S Scheidecker, M Kohler, et al.: Prenatal diagnosis of focal dermal hypoplasia: report of three fetuses and review of the literature. Am J Med Genet A. 173:479-486 2017, | ||
* MA Maymi, RF Martin-Garcia: Focal dermal hypoplasia with unusual cutaneous features. Pediatr Dermatol. 24:387-390 2007 | * MA Maymi, RF Martin-Garcia: Focal dermal hypoplasia with unusual cutaneous features. Pediatr Dermatol. 24:387-390 2007 |
Synonyme: FDH, Goltz-Gorlin-Syndrom
Die fokale dermale Hypoplasie, kurz FDH, ist eine seltene, x-chromosomal-dominant vererbte Bindegewebsstörung mit Fehlbildungen von Haut, Augen, Ohren und Zähnen sowie des Skelettsystems. Ursächlich ist ein Defekt im PORCN-Gen, der bei männlichen Trägern früh zum Tod führt. Bei den bekannten Fällen handelt es sich deshalb beinahe ausschließlich um weibliche Patienten.
Die fokale dermale Hypoplasie gehört zu den ektodermalen Dysplasien.
Das Goltz-Gorlin-Syndrom ist nicht identisch mit dem Gorlin-Goltz-Syndrom (autosomal-dominant vererbtes, kutanes Syndrom, das mit multiplen Basaliomen am gesamten Integument, Kieferzysten und Skelettfehlbildungen assoziiert ist).
PORCN wird auf dem X-Chromosom an Genlokus Xp11.23 kodiert. Neben der x-chromosomalen Vererbung sind auch zahlreiche sporadische Fälle bekannt, darunter einzelne Fälle männlicher Patienten durch postzygotische Mutation. Eine Vielzahl möglicher Mutationen im PORCN-Gen kann für die FDH ursächlich sein, wobei in sporadischen Fällen für gewöhnlich Punktmutationen oder kleine Deletionen, in familiären Fällen größere Deletionen vorliegen. Durch die daraus folgende fehlerhafte Synthese bestimmter Proteine im Wnt-Signalweg kommt es zur gestörten Entwicklung des ektodermalen und mesodermalen Keimblatts während der Embryogenese. Die sehr unterschiedlichen Ausprägungsformen der FDH sind auf Mosaikbildung, zum Beispiel durch X-Inaktivierung zurückzuführen.
Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich in der Regel ab der Geburt streifige oder (klein-)fleckige Hautläsionen bevorzugt an Rumpf und rumpfnahen Extremitäten. Die betroffenen Areale sind gerötet, eingesunken, hypo- oder hyperpigmentiert und - besonders in der frühen Phase - entzündlich verändert, teilweise auch erodiert oder ulzeriert und nässend. Innerhalb oder im Randbereich der Läsionen finden sich insbesondere bei Lokalisation an den Gliedmaßen gelegentlich von intakter Haut überkleidete polypoide, weiche Tumoren. Sie können aufgrund des in ihnen enthaltenen Fettgewebes gelblich erscheinen. Nahe den Körperöffnungen sieht man warzenartige Papeln, zusätzlich können Teleangiektasien, Nageldystrophie oder Anonychie und fokale Alopezie auftreten.
Manifestationen an den Augen treten auf als Hypertelorismus, Mikro- oder Anophthalmie, Aniridie, Strabismus, Nystagmus, Glaukom, Netzhautablösung oder Kolobom von Iris, Retina, Choroidea oder Nervus opticus. An den Zähnen beziehungsweise in der Mundhöhle können Zahndysplasien oder partielle Zahnagenesien, Anodontie, Störungen des Zahnschmelzes oder eine papilläre Gingivahyperplasie (knapp die Hälfte der Fälle) als Teil des Krankheitsbildes auftreten. Mikrokranie, Asymmetrie des Gesichts und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten in unterschiedlicher Ausprägung sowie charakteristische faziale Dysmorphien sind beschrieben. Die Beteiligung der Ohren kann Schallempfindungs- oder Schallleitungsschwerhörigkeit bis zur Taubheit beinhalten.
Am Skelett manifestiert sich die Krankheit häufig als Hypo- oder Aplasie der Finger, bzw. in ca. zwei Drittel der Fälle als Syn- oder Polydaktylie. Weitere Malformationen des Skelettsystems umfassen Asymmetrie von Rumpf und Extremitäten (in ca. einem Drittel der Fälle), Kyphosen, Skoliosen und Spina bifida occulta. Eine Neigung zu fragilem Knochenbau und früher Entwicklung einer Osteoporose ist beschrieben.
Kardiale oder urogenitale Fehlbildungen, Bauchwanddefekte und Fälle geistiger Behinderung sind beschrieben.
Bei Vorliegen von mindestens drei charakteristischen Hautveränderungen und mindestens einer Malformation der Extremitäten lässt auf eine FDH schließen. Die Mutationen im PORCN-Gen können molekularbiologisch nachgewiesen werden. Auf diese Weise ist auch eine pränatale Diagnosestellung möglich.
Die eingesunkenen Hautareale zeigen histologisch eine verschmälerte Epidermis mit Verdrängung der unterliegenden Dermis durch Fettgewebe. Das erhaltene dermale Bindegewebe weist einen verminderten Gehalt an Kollagenfasern auf, elastische Fasern dagegen können vermehrt vorhanden und die Faserbündel verdickt sein. Bei Hyperpigmentierung zeigen sich eine lokalisierte Akanthose, erhöhter epidermaler Melaningehalt und Melanophagen in der papillären Dermis. Die Reteleisten sind keulenförmig. Entzündliche Veränderungen können in unterschiedlichem Ausmaß vorliegen.
Auch im Bereich der lipomatösen Tumoren sind Epidermis und Dermis schmal, kollagene und elastische Fasern können vermindert sein. In der Dermis zeigen sich Ansammlungen von Adipozyten, die sich bis in die papilläre Dermis und an die dermoepidermale Grenze ausdehnen können. Adnexstrukturen wie Haarfollikel und Talgdrüsen können dadurch in die Dermis verlagert oder in geringerer Dichte vorhanden sein. Die papulösen Läsionen um die Körperöffnungen zeigen eine epidermale Hyperplasie mit Hyperkeratose und Papillomatose. Die Dermis ist wiederum schmal mit feinen Kollagenfasern und Zunahme der Vaskularisation im Stratum papillare.
Radiologisch zeigt sich in der Metaphyse langer Röhrenknochen eine longitudinale Streifung (Osteopathia striata).
Das histologische Bild ist dem des Naevus lipomatosus superficialis sehr ähnlich, auch ein Fibrom mit lipomatöser Komponente käme differentialdiagnostisch in Betracht. Charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zu beiden Krankheitsbildern ist der deutlich verminderte dermale Kollagenfasergehalt bei der fokalen dermalen Hypoplasie.
Die Therapie ist symptomatisch und abhängig von der Organbeteiligung und Ausprägung der Erkrankung.
Tags: Haut, Hypoplasie, X-chromosomal
Fachgebiete: Dermatologie, Genetik, Pathologie, Radiologie
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