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− | Die '''Erythrozytensedimentationsrate''', kurz '''ESR''' | + | Die '''Erythrozytensedimentationsrate''', kurz '''ESR''' ist ein häufig verwendeter [[Suchtest]] bei Verdacht auf [[Entzündung|entzündliche Erkrankungen]], der relativ [[Spezifität | unspezifisch]] ist. Die ESR kann auch Hinweise bei der Verlaufsbeurteilung von entzündlichen Erkrankungen geben. |
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+ | Eine andere, häufig verwendete Bezeichnung für die ESR ist der Begriff "Blutsenkungsgeschwindigkeit", kurz '''BSG'''. | ||
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+ | Die ESR wird vor allem durch die Zusammensetzung der [[Plasmaprotein]]e beeinflusst. Die negative Ladung der Erythrozyten führt dazu, dass diese sich gegenseitig abstoßen und die Sedimentierung nur langsam abläuft. Plasmaproteine, welche die negative Ladung der Erythrozyten teilweise aufheben (Verminderung des [[Zeta-Potential]]s), führen zu schnelleren [[Agglomeration]] der Erythrozyten und damit zu einem schnelleren Absinken der Blutzellen. Diese Proteine werden daher auch als [[Agglomerin]]e zusammengefasst. Dazu zählen vor allem [[Akute-Phase-Protein]]e (z.B. [[Fibrinogen]]), die bei Entzündungsreaktionen freigesetzt werden. Das negativ geladene [[Albumin]] vermindert die ESR. | ||
==Methode== | ==Methode== | ||
− | Die Erythrozytensedimentationsrate kann nach Westergren bestimmt werden. Dabei | + | Die Erythrozytensedimentationsrate kann nach Westergren bestimmt werden. Dabei werden 0,4 ml einer 3,8 %igen [[Natriumcitrat]]lösung mit 1,6 ml venösem [[Blut]] gemischt. In der Regel wird dazu das Blut direkt in spezielle Gefäße (z.B. [[Monovette]]n®) abgenommen, die bereits die Citratlösung enthalten. Man erhält dadurch so genanntes [[Citratblut]]. |
− | + | Anschliessend wird das Blut in eine senkrecht stehende Pipette von 200 mm Höhe mit Millimetergraduierung gefüllt. Nach 1 Stunde wird die [[Sedimentation|Absenkung]] der roten [[Erythrozyt]]ensäule in mm abgelesen. Der 2-Stunden-Wert gibt in der Regel keine wesentliche zusätzliche Information. Die Ablesung kann visuell oder durch Automaten erfolgen. | |
− | + | Da die klassische Citrat-Methode zeitkritisch ist, wird in der Laboratoriumsmedizin auch [[EDTA-Blut]] für die ESR verwendet. In der [[Kinderheilkunde]] erfolgt die Kontrolle häufig in [[Glaskapillare|Kapillarröhrchen]] als so genannte [[Mikrosenkung]]. | |
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+ | Eine extrem erhöhte ESR bezeichnet man als [[Sturzsenkung]]. | ||
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+ | Der Test ist [[Sensitivität|sensitiv]], gibt aber keinen Hinweis auf die zugrunde liegenden Ursachen der ESR-Erhöhung. Der Wert korreliert in gewissen Grenzen mit der Aktivität der Entzündung. Bei alten Menschen, sowie bei Frauen [[prämenstruell]] und während der [[Schwangerschaft]] kann er physiologischerweise erhöht sein. | ||
+ | Der Wert wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehört z.B. eine veränderte [[Körpertemperatur]] oder die Einnahme von [[Medikament]]en (z.B. [[Isotretinoin]] oder [[Ovulationshemmer]]). Der Wert kann bei einer Vielzahl von Erkrankungen verändert sein. | ||
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* [[Infektionskrankheit]]en | * [[Infektionskrankheit]]en | ||
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* [[Maligne]]n [[Tumor]]en (insbesondere mit [[Metastase]]nbildung) | * [[Maligne]]n [[Tumor]]en (insbesondere mit [[Metastase]]nbildung) | ||
* [[Hämatologisch]]en Erkrankungen ([[Leukämie]]n, [[Hämolyse]]n, [[Anämie]]n) | * [[Hämatologisch]]en Erkrankungen ([[Leukämie]]n, [[Hämolyse]]n, [[Anämie]]n) | ||
− | * [[ | + | * [[Thyreoiditis]] |
* [[Nephrotisches Syndrom]] | * [[Nephrotisches Syndrom]] | ||
* [[Plasmozytom]] | * [[Plasmozytom]] | ||
* [[Myokardinfarkt]] | * [[Myokardinfarkt]] | ||
* [[Leberzirrhose]] | * [[Leberzirrhose]] | ||
+ | * [[Hyperlipoproteinämie]] | ||
+ | * [[Polyzythämia vera]] | ||
* u.v.a. | * u.v.a. | ||
− | Eine [[iatrogen]]e Erhöhung sieht man nach [[Infusion]] von [[Dextran]]lösungen oder | + | Eine [[iatrogen]]e Erhöhung sieht man nach [[Infusion]] von [[Dextran]]lösungen oder Einnahme von Medikamenten. |
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+ | ESR ist verlangsamt bei: | ||
+ | * [[Polyglobulie]] | ||
+ | * [[Polycythaemia vera]] | ||
+ | * [[Sichelzellanämie]] | ||
+ | [[Fachgebiet:Diagnostik]] | ||
+ | [[Fachgebiet:Labormedizin]] | ||
+ | [[Tag:Blut]] | ||
+ | [[Tag:Blutsenkung]] | ||
+ | [[Tag:Entzündung]] | ||
+ | [[Tag:Entzündungsparameter]] | ||
+ | [[Tag:Laborparameter]] |
Synonyme: Blutsenkung, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, ESR, BSG, BKS, BSR
Englisch: sedimentation rate, sed rate
Die Erythrozytensedimentationsrate, kurz ESR ist ein häufig verwendeter Suchtest bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen, der relativ unspezifisch ist. Die ESR kann auch Hinweise bei der Verlaufsbeurteilung von entzündlichen Erkrankungen geben.
Eine andere, häufig verwendete Bezeichnung für die ESR ist der Begriff "Blutsenkungsgeschwindigkeit", kurz BSG.
Die ESR wird vor allem durch die Zusammensetzung der Plasmaproteine beeinflusst. Die negative Ladung der Erythrozyten führt dazu, dass diese sich gegenseitig abstoßen und die Sedimentierung nur langsam abläuft. Plasmaproteine, welche die negative Ladung der Erythrozyten teilweise aufheben (Verminderung des Zeta-Potentials), führen zu schnelleren Agglomeration der Erythrozyten und damit zu einem schnelleren Absinken der Blutzellen. Diese Proteine werden daher auch als Agglomerine zusammengefasst. Dazu zählen vor allem Akute-Phase-Proteine (z.B. Fibrinogen), die bei Entzündungsreaktionen freigesetzt werden. Das negativ geladene Albumin vermindert die ESR.
Die Erythrozytensedimentationsrate kann nach Westergren bestimmt werden. Dabei werden 0,4 ml einer 3,8 %igen Natriumcitratlösung mit 1,6 ml venösem Blut gemischt. In der Regel wird dazu das Blut direkt in spezielle Gefäße (z.B. Monovetten®) abgenommen, die bereits die Citratlösung enthalten. Man erhält dadurch so genanntes Citratblut.
Anschliessend wird das Blut in eine senkrecht stehende Pipette von 200 mm Höhe mit Millimetergraduierung gefüllt. Nach 1 Stunde wird die Absenkung der roten Erythrozytensäule in mm abgelesen. Der 2-Stunden-Wert gibt in der Regel keine wesentliche zusätzliche Information. Die Ablesung kann visuell oder durch Automaten erfolgen.
Da die klassische Citrat-Methode zeitkritisch ist, wird in der Laboratoriumsmedizin auch EDTA-Blut für die ESR verwendet. In der Kinderheilkunde erfolgt die Kontrolle häufig in Kapillarröhrchen als so genannte Mikrosenkung.
Maximaler physiologischer Wert nach 1 Stunde:
Eine extrem erhöhte ESR bezeichnet man als Sturzsenkung.
Der Test ist sensitiv, gibt aber keinen Hinweis auf die zugrunde liegenden Ursachen der ESR-Erhöhung. Der Wert korreliert in gewissen Grenzen mit der Aktivität der Entzündung. Bei alten Menschen, sowie bei Frauen prämenstruell und während der Schwangerschaft kann er physiologischerweise erhöht sein. Der Wert wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehört z.B. eine veränderte Körpertemperatur oder die Einnahme von Medikamenten (z.B. Isotretinoin oder Ovulationshemmer). Der Wert kann bei einer Vielzahl von Erkrankungen verändert sein.
ESR ist erhöht bei:
Eine iatrogene Erhöhung sieht man nach Infusion von Dextranlösungen oder Einnahme von Medikamenten.
ESR ist verlangsamt bei:
Fachgebiete: Diagnostik, Labormedizin
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