Synonyme: Kohlenhydrat defizientes Transferrin, „Asialotransferrin“, Desialotransferrin
Abkürzung: CDT
Englisch: Carbohydrate deficient Transferrin
Das im Serum bestimmbare Kohlenhydrat defiziente Transferrin umfasst eine Gruppe an Transferrin-Isoformen, deren prozentualer Anteil am Gesamtransferrin bei chronischem Alkoholabusus ansteigt. Die Gruppe der Transferrin-Isoformen die dem CDT angehören, umfasst Asialo-, Monosialo- und Disialotransferrin, in manchen Testverfahren auch Trisialotransferrin.
Als Glykoprotein verfügt Transferrin neben einem Peptid-Grundgerüst auch über Kohlenhydratketten. Deren Ausprägung in Größe und Verzweigung ist recht variabel, im Normalfall endet jedoch jede Seitenkette mit einem Sialinsäure-Rest. Die Anzahl der Sialinsäure-Reste lässt sich aufwändig bestimmen- sie reicht von keinem bis zu 8 Sialinsäure-Resten. Dabei finden sich die Isoformen A-, Mono- und Octasialotransferrin gar nicht oder nur zu <1% im Serum gesunder Probanden. Bei chronischem Alkoholismus dagegen scheint eine ethyltoxische Beeinträchtigung der Synthese der Kohlenhydratketten zu bestehen, die zu einer Verschiebung zu Transferrin-Molekülen mit wenigen Sialinsäure-Resten führt.
Der Pathomechanismus für die alkoholbedingte Entstehung von CDT ist noch nicht geklärt. Vermutet wird eine funktionelle Beeinträchtigung der Synthese der Kohlenhydrat-Ketten im Golgi-Apparat durch Ethanol oder sein Abbauprodukt Acetaldehyd. Dafür spricht eine Alkohol-induzierte bis zu 50%ige Aktivitätsabnahme der Sialyltransferase, der N-Acetylglucosaminyltransferase und der Galactosyltransferase im Golgi-Apparat. Zudem wurde jedoch auch eine gesteigerte Aktivität der hepatischen Sialidase bei Ratten, denen Alkohol appliziert wurde, festgestellt. Da die Sialidase Sialinsäure-Reste von Glykoproteinen abspaltet, könnte auch ihre Aktivitätszunahme für den erhöhten Verlust an Sialinsäure-Resten von Transferrin-Molekülen verantwortlich sein.
Um valdide CDT-Werte zu erhalten ist keine spezielle Vorbereitung des Patienten von Nöten. So scheint der CDT-Anteil am Gesamttransferrin nicht durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst zu werden. Ebenfalls scheinen Pharmaka keinen Einfluss auf die Messergebnisse zu haben. Das gilt auch für Disulfiram®, ein Aldehyddehydrogenase-Inhibitor, der als unterstützendes Medikament beim Alkoholentzug eingesetzt wird. Die Probe kann am sitzenden oder liegenden Patienten abgenommen werden. Die Tageszeit spielt für die CTD-Serum-Konzentration nur eine untergeordnete Rolle. Da Plasma für die folgende Analyse ungeeignet ist, sollten Vollblut- oder Serumproben eingeschickt werden. Dabei sollte eine zügige Weiterverarbeitung oder eine ausreichende Kühlung gewährleistet sein, da die CDT-Werte ungekühlter Proben nach 3 Tagen signifikant erhöht sind. In gefrorenem Zustand sind die Serum-Proben bei -22°C -Lagertemperatur Monate bis Jahre haltbar. Vollblutproben dagegen dürfen nicht tiefgekühlt werden, da eine ausgeprägte Hämolyse die folgende Analytik wesentlich beeinträchtigt. Eine Kontamination mit Bakterien muss vermieden werden, da die bakterielle Sialidase-Aktivität zu einem Anstieg der CDT-Konzentration führt. Während Gerinnungsbeschleuniger keinen Einfluss auf das spätere Ergebnis haben, ist der Einsatz von Antikoagulanzien, wie Heparin, zu vermeiden.
Durch Aminosäureaustausch ergeben sich verschiedene genetische Transferrin-Varianten. Von diesen ca. 38 bekannten Varianten, kommen nur 4 in >1% der Fälle vor. In Europa ist Transferrin C mit 95% am häufigsten vertreten. Das Wissen um genetische Varianten ist wichtig, da Transferrin B zu falsch niedrigen und Transferrin D zu falsch hohen CDT-Werten führen kann. Bei Verdacht auf eine genetische Transferrin-Varianz mit fraglichem CDT-Spiegel muss daher nach in vitro Entfernung aller Sialinsäure-Reste durch Neuraminidase eine Isoelektrische-Fokussierung durchgeführt werden, um die tatsächliche Transferrin-Variante zu identifizieren.
Wie bei der Bestimmung nahezu aller Laborparameter, müssen die Labor-spezifischen Referenzbereiche beachtet werden. Zum einen gibt es Unterschiede bei der Methodik zur CDT-Bestimmung, andererseits ist für die Ergebnisinterpretation entscheidend, was im durchgeführten Test zum CDT zählt. So wäre die alleinige Detektion von Asialotransferrin als CDT-Repräsentant möglich. Manche Tests rechnen jedoch neben A-, Mono-, Disialotransferrin auch noch Trisialotransferrin zum CDT.
Da die absoluten CDT-Werte auch bei verschiedenen Erkrankungen und in der Schwangerschaft ansteigen, wobei hier eine Zunahme des Gesamttransferrins zu verzeichnen ist, sollte der CDT-Anteil am Gesamttransferrin in Prozent bestimmt werden. CAVE: Auch bei einigen nicht ethyltoxischen Leberveränderungen, wie bei der primär billiären Leberzirrhose (PBC), bei einer chronisch aktiven Hepatitis und beim primären Leberzellkarzinom steigt der CDT relativ an! Außerdem sind die oben angesprochenen genetischen Transferrin-Varianten zu beachten, die jedoch selten vorkommen (in Deutschland ca. 1% der Bevölkerung).
Der CDT-Wert im Serum steigt relativ an, wenn an mindestens 7-10 aufeinanderfolgenden Tage mindestens 50-80g Alkohol konsumiert werden. Ein kurzfristiger Alkohol-Missbrauch führt also nicht zu erhöhten CDT-Werten. Obwohl ein Verlust von Sialinsäure an Glykoproteinen normalerweise den sofortigen intrahepatischen Abbau zur Folge hat, verlängert sich die Halbwertszeit bei CDT auf 14 Tage, während sie bei Nicht-CDT nur ca. 7 Tage beträgt. Die CDT-Erfassung ist momentan der spezifischste Test zur Diagnostik eines chronischen Alkohol-Abusus. So führt die Testung der anderen Marker für chronischen Alkohol-Missbrauch häufig zu falsch-positiven Ergebnissen, da diese Parameter auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen ansteigen. Einen CDT-Anstieg bedingen, neben chronischem Alkoholkonsum, nur wenige und seltene Erkrankungen, die zumeist differential-diagnostisch gut abzuklären sind. Die Sensitivität schwankt durch verschiedene abhängige Einflussgrößen zwischen 22% und 100%. Somit lässt sich über die CDT-Bestimmung ein chronischer Alkoholabusus detektieren und der Erfolg einer Entzugstherapie überwachen.
Da für hoch valide Ergebnisse bezüglich der Korrelation zwischen Alkoholaufnahme und CDT-Anstieg kontrollierte Trinkversuche nötig wären, die jedoch ethisch nicht vertretbar sind, muss auf die Aussagen der betroffenen Patienten und Probanden zurückgegriffen werden. Da hier die Genauigkeit und der Wahrheitsgehalt der Aussagen nicht garantiert werden können, wird die mangelende Validität vieler Arbeiten bezüglich des CDT kritisiert.
Fachgebiete: Allgemeinmedizin, Labormedizin, Neurologie
Diese Seite wurde zuletzt am 20. Juli 2019 um 13:17 Uhr bearbeitet.
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