aus dem Englischen für: Akutes Lungenschädigungs-Syndrom
Abkürzung: ARDS
Synonyme: Schocklunge, akutes Lungenversagen, akutes Atemnotsyndrom
Englisch: Adult respiratory distress syndrome, shock lung
Das Acute respiratory distress syndrome, kurz ARDS, ist eine immer lebensgefährliche akute Schädigung der Lunge. Sie ist häufig mit einem Multiorganversagen im Rahmen eines SIRS assoziiert und weist eine sehr hohe Mortalität auf.
Das pathologische Korrelat des ARDS ist der diffuse Alveolarschaden (DAD).
Nach der Berliner Definition[1] liegt ein ARDS vor, wenn folgende Kriterien zutreffen:
Die neue Definition unterscheidet drei Schweregrade des ARDS abhängig von der Schwere der Hypoxämie:
Eine weitere Unterteilung der Schwergrade bietet der Lung Injury Score nach Murray.
Ein ARDS kann im Rahmen einer systemischen Reaktion des Organismus oder auch durch eine direkte Lungenschädigung entstehen.
Die häufigste Ursache ist eine Pneumonie. Weitere möglichen Ursachen sind unter anderem:
Die Pathogenese eines ARDS ist für die meisten Auslöser gleich. Sie läuft in mehreren Stadien ab. Es handelt sich dabei um eine "überzogene" Entzündungsreaktion des Lungengewebes, die den Krankheitsprozess induziert und im Sinne einer pathologischen Reaktionskaskade aufrechterhält.
Zunächst kommt es zur Ausbildung eines interstitiellen Lungenödems, welches infolge der Lungenschädigung mit Steigerung der Permeabilität der Kapillaren entsteht. Diese Entzündungsreaktion führt zur Einwanderung von neutrophilen Granulozyten. Diese setzen lytische Enzyme und Sauerstoffradikale frei (oxidative burst), welche die Entzündungsreaktion weiter verstärken.
Unter dem Einfluss von Entzündungsmediatoren kommt es zu einem ausgeprägten "capillary leak", der zur Ausbildung eines alveolären Ödems führt. Dadurch wird der Surfactant auf den Alveolenoberflächen zerstört, es kommt zu Mikroatelektasen. Die Oxygenierung des Blutes ist dadurch kompromittiert.
Verläuft ein ARDS in diesem Stadium nicht tödlich, kommt es zu Ausheilungsbemühungen des Organimus. Dabei werden geschädigte Pneumozyten durch die Proliferation von Fibroblasten und Endothelzellen durch Bindegewebe ersetzt. Es kommt zur Bildung von hyalinen Membranen, welche die Alveolarwände tapetenartig auskleiden.
Dadurch bleibt die Oxygenierung dauerhaft eingeschränkt, da die Diffusionsstrecke zwischen Blut und Luft größer wird. Eine Restitutio ad integrum ist in manchen Fällen beschrieben, jedoch für den Großteil der Fälle nicht zu erwarten, sodass von einer bleibenden respiratorischen Insuffizienz ausgegangen werden kann.
Innerhalb weniger Tage nach dem auslösenden Schädigungsereignis treten Tachypnoe und Dyspnoe (Lungenödem) auf. Es liegt charakteristischerweise eine Hypoxämie vor. Die Körpertemperatur kann abfallen (Hypothermie) oder steigen (Hyperthermie oder Fieber). Das typische klinische Bild umfasst:
Als Komplikation kann durch eine Hypoxie der Organe bedingt ein Multiorganversagen auftreten. Durch die Lungenschädigung ist mit dem Auftreten einer Pneumonie zu rechnen, welche unter diesen Bedingungen leicht in eine Sepsis münden kann.
Ein ARDS ist zu diagnostizieren bei:
Als klinische Differentialdiagnose kommen vor allem die Lungenembolie, das Linksherzversagen und eine schwer verlaufende Pneumonie in Frage. Zur Unterscheidung einer Herzinsuffizienz mit Linksherzversagen von einem ARDS kann die Bestimmung des Pulmonalarteriendruckes mit einem Pulmonaliskatheter notwendig sein.
Die Therapie erfolgt intensivmedizinisch. Ein ARDS kann innerhalb von wenigen Stunden zur respiratorischen Dekompensation mit Beatmungsbedarf führen.
An erster Stelle sollte die auslösende Ursache therapiert werden. Die maschinelle Beatmung sollte frühzeitig eingesetzt werden. Dabei wird mit individuell angepasstem positiven endexspiratorischen Druck (PEEP) bei adäquatem Plateaudruck gearbeitet. Inadäquat hohe Plateaudrücke können durch Überdehnung noch gesunder Lungenanteile diese schädigen und das Krankheitsgeschehen weiter verstärken (Volutrauma). Ebenso kann ein inadäquat niedriger PEEP durch zyklisches Eröffnen und Wiederverschließen von Lungenabschnitten ein Fortschreiten des ARDS bewirken (Atelektrauma).
In Konsequenz steht bei der Beatmung von ARDS-Patienten oft nur eine sehr geringe Druckamplitude für die Verschiebung des Atemzugvolumens zur Verfügung. Diese Strategie wird lungenprotektive Beatmung genannt. Als Folge des hier begrenzten Atemminutenvolumens kann eine Hyperkapnie auftreten, die im Einzelfall im Sinne einer Güterabwägung toleriert werden muss, auch wenn diese sog. permissive Hyperkapnie zu einer erhöhten Inzidenz von dialysepflichtigen Niereninsuffizienzen führt. Patienten mit erhöhtem Hirndruck stellen allerdings eine absolute Kontraindikation für eine permissive Hyperkapnie dar. Mögliche Therapieoptionen zur Vermeidung der Hyperkapnie bei gleichzeitiger Wahrung des lungenprotektiven Therapieansatzes sind die Hochfrequenzoszillation (HFO) und die extrakorporale Lungenunterstützung (ECLA) mit einer modifizierten Herz-Lungen-Maschine.
Begleitend sollte wegen der erhöhten Thrombosegefahr bei Immobilisation eine Low-dose-Heparinisierung erfolgen. Der Patienten wird, sofern möglich, enteral über Sonde, oder parenteral über einen zentralvenösen Katheter ernährt. Oft ist der parallele Einsatz beider Ernährungsformen notwendig.
Die Therapie erfordert einen maximalen intensivmedizinischen Aufwand. Im späten "Ausheilungsstadium" kann die Gabe von Glukokortikoiden die Fibrose der Lunge vermindern.
Die Letalität ist hoch und beträgt etwa 55-70%.
Fachgebiete: Anästhesiologie, Intensivmedizin
Diese Seite wurde zuletzt am 6. Mai 2020 um 13:55 Uhr bearbeitet.
Um diesen Artikel zu kommentieren, melde Dich bitte an.