von althochdeutsch: smerzo - Schmerz
von griechisch: algos - Schmerz
Synonym: Algesie
Englisch: pain
Schmerz ist eine komplexe Sinnes- und Gefühlsempfindung, die von Nozizeptoren des peripheren Nervensystems ausgelöst wird. Sie wird im ZNS verarbeitet und interpretiert. Dabei bestehen enge Wechselwirkungen zwischen Schmerzwahrnehmung und Psyche.
Schmerz ist oft mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verbunden. Er tritt dann lediglich als Symptom auf, kann aber auch eigenen Krankheitswert besitzen – vor allem bei chronischen Schmerzen. Man spricht dann von einem Schmerzsyndrom.
Schmerzen werden unter anderem durch Überlastung, Entzündung oder Verletzung eines Gewebes hervorgerufen. Sie haben eine wichtige physiologische Warnfunktion, da sie das Individuum dazu veranlassen, sich dem schmerzauslösenden Stimulus zu entziehen bzw. ihn zu vermeiden. Darüber hinaus ist Schmerz auch in der Heilungsphase wichtig, da er eine Schonhaltung induziert, die eine weitere Traumatisierung von Körperstrukturen verhindert.
Schmerz entsteht in den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Es handelt sich dabei meist um freie Nervenendigungen, die auf verschiedene Reize reagieren, z.B.:
Schmerzrezeptoren benötigen einen vergleichsweise starken Reiz, um erregt zu werden. Außerdem adaptieren sie nicht, d.h. ein schnell wiederholter Reiz führt nicht zu einer Verminderung der Erregbarkeit. Die Aktivierbarkeit von Schmerzrezeptoren wird durch Stoffe, so genannte Schmerzmediatoren verändert (moduliert), im Allgemeinen erhöht. Dazu gehören u.a. Prostaglandine, Bradykinine, Serotonin. Ebenfalls zu einer erhöhten Erregbarkeit führen Sauerstoffmangel im Gewebe (z.B. durch Infarkt bedingt), Absinken des pH-Wertes (CO2-Anstieg) oder eine Änderung der Elektrolytkonzentration im Blut.
Schmerzen begleiten oft Erkrankungen oder Verletzungen, können aber als Schmerzsyndrom einen eigenen Krankheitswert erlangen. Der Schmerz besteht dabei über Monate und das Grundleiden ist entweder schwer bzw. nicht therapierbar oder nicht auffindbar.
Schmerzzustände sind für den Körper "erlernbar". Wiederholt auftretende Schmerzen führen dabei zu intensiverem und längerem Schmerzempfinden, da dabei die Schmerzschwelle herabgesetzt wird. Deshalb ist bei bestimmten Schmerzformen eine frühzeitige und ausreichende medikamentöse Schmerzbekämpfung wichtig.
Die Nervenfasern, welche die Schmerzinformation weiterleiten, können in schnelle (A-Delta-Fasern) und langsame (C-Fasern) unterteilt werden. C-Fasern sind entwicklungsgeschichtlich älter. Das erklärt die geringe Geschwindigkeit und die schwerer abgrenzbare Schmerzlokalisation ("Irgendwo am Unterschenkel").
Im Rückenmark kommt es einerseits zu Reflexverschaltungen, die eine Fluchtbewegung auslösen. Dabei ist der Schmerz noch nicht bewusst geworden; so zieht man bspw. die Hand von der Herdplatte zurück, bevor diese als heiß erkannt wurde. Andererseits gelangt die Information über den Vorderseitenstrang (Tractus spinothalamicus) in das Gehirn. In der Hirnrinde (Kortex) wird der Schmerz 'bewusst' und im limbischen System emotional bewertet. Höhere Hirnzentren können über deszendierende antinozizeptive Bahnen Einfluss auf die Intensität der Schmerzwahrnehmung nehmen (Schmerzmodulation). Hirnareale, die für die an Verarbeitung von Schmerzen beteiligt sind, werden auch unter dem Begriff Schmerzmatrix (pain matrix) zusammengefasst. Sie umfasst unter anderem den präfrontalen Cortex und den Thalamus und wird für Untersuchungen neuronaler Schmerzmechanismen mittels bildgebender Verfahren verwendet.[1]
Während der Verschaltung im Rückenmark kann das Schmerzempfinden durch körpereigene Stoffe (Endorphine) reduziert werden. Einige Schmerzmittel, z.B. Opiate setzen an dieser Stelle an.
Die bisher beschriebene Schmerzart ist ein physiologischer Schmerz. Das bedeutet, dass das Schmerzempfinden als Warnsignal für die Körperfunktion sinnvoll ist. Dabei spricht man von Nozizeptorenschmerz. Davon abzugrenzen ist der neuropathische Schmerz, der auf Schädigungen des Nervensystems zurück geht (z.B. durch Amputation, Querschnittslähmung, Virusinfektionen oder dauerhaft erhöhten Blutzucker).
In Folge funktioneller Störungen kommen Schmerzen ebenfalls vor. Hier funktionieren Teilsysteme des Körpers fehlerhaft (z.B. führen Durchblutungsfehlregulationen zu Migräne) oder die Reaktion des Körpers auf Einflüsse von außen ist unpassend (Stress, Angst, Ekel etc.).
Schmerzen können aufgrund anatomischer, klinischer, ätiologischer und topografischer Aspekte eingeteilt werden, wobei es häufig zu Überschneidungen kommt. Die folgende Gliederung hat keine Allgemeingültigkeit und dient nur der groben Orientierung.
Akute Schmerzen sind ein wichtiges Warnsignal des Körpers. Wenn sie auftreten, gilt es, die Ursache ausfindig zu machen und zu beseitigen. Dann verschwinden die Schmerzen je nach Ursache nach einigen Stunden oder Tagen. Oft hilft es schon, den schmerzenden Bereich zu entlasten und ihn zu kühlen (z.B. bei Entzündungen) oder zu wärmen (bei Arthrose). Mittelstarke und starke Schmerzen können mit Schmerzmitteln oder lokalen Betäubungsmitteln behandelt werden. Für Schmerzen nach Operationen wurde sogar durch Studien belegt, dass eine gute Schmerzbehandlung die Heilung fördert und das Risiko von Komplikationen senkt. Je nach Intensität der Schmerzen werden unterschiedlich starke Schmerzmittel oder eine Kombination verschiedener Schmerzmittel eingesetzt.
Als chronische Schmerzen bezeichnet man Schmerzen, die länger als sechs Monate anhalten. Auch immer wiederkehrende Schmerzen, wie z.B. Migräne, gelten als chronische Schmerzen, wenn sie an mehr als 15 Tagen im Monat auftreten. Der Schmerz besteht losgelöst von der ursprünglichen Erkrankung, d.h. er hat seine Signalwirkung verloren. Im Falle von nicht oder nicht ausreichend therapierten chronischen Schmerzen entsteht ein Schmerzgedächtnis. Es treten Schlafstörungen auf und die körperliche und seelische Belastbarkeit ist erheblich eingeschränkt. In der Folge reduziert sich auch die Leistungsfähigkeit im Beruf und nicht selten kommt es zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit und Depressionen. Eine alleinige medikamentöse Schmerzbehandlung reicht in diesen Fällen oft nicht aus, um die Lebensqualität der Betroffenen wiederherzustellen.
Beispiele für chronische Schmerzen sind z.B. Rückenschmerzen bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen.
Schmerz kann nach seiner Qualität vom Patienten näher beschrieben werden. Die Beschreibung des Schmerzes kann zwei Aspekte aufweisen:
Die Schmerzqualität wird in der Anamnese gezielt abgefragt und so ggf. Hinweise auf Art und Ursache des Schmerzes gewonnen.
Wie bei allen wichtigen klinischen Symptomen, besteht auch beim Schmerz das Interesse, ihn zur Verlaufsbeurteilung quantitativ zu erfassen. Allerdings ist Schmerz eine subjektive Wahrnehmung, die in unterschiedlichem Maße von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Deshalb ist die "objektive" apparative Messung zur Zeit (2022) unmöglich.
Ein verbreitetes Verfahren der "Schmerzmessung" durch Selbstauskunft des Patienten ist die strukturierte Erhebung des subjektiven Schmerzempfindens in Form von Schmerzfragebögen oder Schmerzskalen (z.B. VAS, VRS, NRS).
Bei Kleinkindern und Säuglingen kann wegen fehlender oder eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeiten zur Einschätzung von Schmerzen die KUS-Skala verwendet werden.[2]
Bei chronischen Schmerzen kommt auch die Erfassung über einen längeren Zeitraum in Form eines Schmerztagebuchs in Betracht.
Die Algesimetrie versucht Schmerzstärken durch gezieltes Auslösen von Schmerzreizen (z.B. mechanisch oder thermisch) zu ermitteln.
Im Bereich der Grundlagenforschung befinden sich Versuche, Schmerzen durch Verfahren wie das funktionelle MRT visualisierbar zu machen.[3]
Wenn für den Schmerz eine Ursache identifiziert werden kann, ist die Therapie in erster Linie kausal ausgerichtet und zielt auf die Beseitigung des schmerzauslösenden Ereignisses. Dabei kommt eine Vielzahl therapeutischer Massnahmen in Betracht, z.B. die Ruhigstellung bei einer Fraktur oder die chirurgische Versorgung bei Verletzungen.
Von der kausalen Therapie abzugrenzen sind alle weiteren Maßnahmen, die auf die Beseitigung bzw. Linderung der Schmerzsymptomatik selbst zielen. Die medikamentöse Therapie mit schmerzstillenden Arzneistoffen, den Analgetika, hat vor allem bei der Behandlung von akuten Schmerzen und von Schmerzen, die durch maligne Tumoren verursacht werden (Tumorschmerz), einen besonderen Stellenwert. Bei chronischen (nicht-tumorbedingten) Schmerzen tritt entsprechend dem bio-psycho-sozialen Schmerzmodell die Bedeutung der Arzneimitteltherapie deutlich zurück hinter nicht-medikamentösen Therapieverfahren wie z.B. Physiotherapie, körperliche Aktivierung und/oder psychologische Techniken (z.B Autogenes Training) bis hin zu Psychotherapie.
Bei der medikamentösen Schmerztherapie wird das WHO-Stufenschema von 1986 verwendet, das eine stufenweise Anpassung der Analgetika vorsieht.
Fachgebiete: Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Neurologie, Notfallmedizin
Diese Seite wurde zuletzt am 15. Juni 2022 um 10:48 Uhr bearbeitet.
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