Glioblastom
Synonyme: Glioblastoma multiforme, GBM
Englisch: glioblastoma
Definition
Glioblastome gehören zu den diffus infiltrierenden, hochmalignen Gliomen und sind die häufigsten hirneigenen Neoplasien. Sie haben nach der WHO-Klassifikation von 2021 den ZNS-WHO-Grad 4 und gehen meist mit einer schlechten Prognose einher.
Einteilung
Die Einteilung der Glioblastome erfolgt anhand der WHO-Klassifikation:[1]
IDH-Status | Häufigkeit | Entstehung | |
---|---|---|---|
Primäres Glioblastom
|
IDH-Wildtyp |
|
de novo |
Sekundäres Glioblastom | IDH-Mutation |
|
aus vormals bestehenden niedriggradigeren Astrozytomen |
Glioblastom, nicht näher bestimmt (NOS) | Evaluation nicht möglich |
Ätiologie
Alle Glioblastome entstehen durch pathologische Vermehrung von veränderten Astrozyten und gehören histologisch zur Gruppe der Astrozytome. Als genetische Alterationen sind Mutationen der Tumorsuppressorgene p53 (>30%) und p16 (> 50%), Deletionen auf Chromosom 10 (> 60%) und 19q (25%) sowie eine Amplifikation des EGF-Rezeptors (> 30%) gefunden worden. Einen bekannten Einfluss auf die Tumorgenese haben zudem Mutationen der Isocitratdehydrogenase (IDH), die zu einer vermehrten Bildung von 2-Hydroxyglutarat führen. Dieses wirkt als Onkometabolit über die Methylierung von DNA und Histonen. Zudem scheinen Veränderungen im ATRX-Gen für die Entwicklung von niedriggradigen Astrozytomen bis zum sekundären Glioblastom bedeutsam zu sein.[2]
Weitere ursächliche genetische Veränderungen sind Gegenstand aktueller Forschung (2021).
Bekannte Risikofaktoren für die Entstehung von Glioblastomen sind das Lynch-Syndrom und das Li-Fraumeni-Syndrom.
Epidemiologie
Die Hälfte aller Astrozytome sind Glioblastome. Es handelt sich bei einem Anteil von 20% um den häufigsten Hirntumor überhaupt. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr, allerdings können auch Jugendliche und Kinder erkranken. Das Glioblastoma multiforme ist der dritthäufigste Tumor bei Kindern unter 2 Jahren.
Pathophysiologie
Die Symptomatik kommt v.a. durch Kompression benachbarter Strukturen zustande. Je maligner der Tumor, desto ausgeprägter ist die Reaktion des umgebenden Parenchyms in Form eines perifokalen Ödems, das ausgeprägt raumfordernd wirkt. Bei Blutung oder Verlegung des Liquorabflusses können zudem Symptome eines Schlaganfalls oder Hydrozephalus hinzukommen.
Lokalisation
Die typische Lokalisation ist tief frontotemporal. Die Ausbreitung erfolgt entlang von Trakten innerhalb der weißen Substanz. Auch die Meningen und die Dura mater werden infiltriert. Metastasen außerhalb des ZNS sind selten. Innerhalb des ZNS erfolgt die Metastasierung kontinuierlich oder über den Liquor cerebrospinalis in Form so genannter Abtropfmetastasen. 3 bis 6% der Glioblastome sind primär multizentrisch. Ebenso ist es möglich, dass sich das Glioblastom von der einen Hemisphäre über den Balken auf die andere Hemisphäre ausbreitet. Dieses eher seltene Bild nennt man Schmetterlingsgliom.
Morphologie und Histologie
Makroskopisch handelt es sich um einen heterogenen, mit Zysten durchsetzten, degenerativ veränderten Tumor mit zahlreichen Nekrosen. Mikroskopisch zeigen sich folgende Merkmale:
- ausgeprägtes Ödem
- Zellreichtum
- Kernatypien
- Mitoserate > 10%
- Pseudopallisaden am Tumorrand
- endovaskuläre Hyperplasie mit pathologischen Gefäßglomerula
Symptomatik
Das Symptommuster ist weniger durch die Raumforderung des Tumors, sondern vor allem durch das perifokale Ödem gegeben, sodass viele Patienten nach pharmakologischer Ödemreduktion sogar vorübergehend symptomfrei werden können. Das klassische Symptom gibt es nicht. Patienten klagen häufig über fokale Symptome wie Kopfschmerzen, Wesensveränderungen, Schwindel, Epilepsie oder Sehstörungen. Ebenso ist es möglich, dass der Patient symptomfrei ist und der Tumor ein Zufallsbefund ist.
Diagnostik
Glioblastome lassen sich hervorragend durch die Kernspintomografie darstellen. Kalzifikationen (Verkalkungen) stellen sich am besten in der Computertomografie dar. Zusammen mit der Lokalisation, den radiologischen tumorspezifischen Besonderheiten und dem Erkrankungsalter lässt sich häufig bereits eine Verdachtsdiagnose stellen. Die Diagnose kann histologisch entweder durch Biopsie oder durch histopathologische Untersuchung des während der Tumorexstirpation gewonnenen Gewebes abgesichert werden. Das CT zeigt ein Glioblastoma multiforme als eine heterogene, in 85% zystische Läsion mit wenigen Verkalkungen und nekrotischen Arealen. In der Angiographie erscheint eine Gefäßmasse mit arterio-venösen Kurzschlüssen und verfrühter venöser Drainage.
Therapie
Operative Therapie
Da die Glioblastome ein ausgesprochen infiltratives Wachstum zeigen, ist eine Heilung durch Resektion des Tumors leider nicht möglich. Ziel ist es, die Tumormasse chirurgisch weitgehend zu reduzieren. Neurochirurgen nutzen hier Aminolävulinsäure, ein Stoff der sich im Tumor anreichert und unter UV-Licht fluoresziert. Dies ermöglicht dem Chirurgen bei der Operation unter UV-Licht einen bessere Trennung zwischen normalem Hirngewebe und Tumorgewebe.
Radiochemotherapie
Adjuvant erfolgt die Behandlung nach dem Stupp-Schema durch eine Radiochemotherapie mit Temozolomid. Eine Methylierung des MGMT-Promoters verbessert den Einfluss der Chemotherapie und verlängert das Überleben geringfügig.[3] Ein Rezidiv kann aber nicht verhindert werden. Zusätzlich wird auch Bevacizumab im Rahmen der Rezidivtherapie eingesetzt. Eine Studie von 2017 konnte bei progressiven Glioblastomen jedoch keine Erhöhung der Überlebensrate durch die gemeinsame Verabreichung von Bevacizumab und Lomustin, im Vergleich zur alleinigen Gabe von Lomustin, feststellen.[4]
Tumortherapiefelder
Ein weiteres Verfahren, dass ein progressionsfreies Überleben mittels elektromagnetischer Wechselfelder verlängern soll, sind die sogenannten Tumortherapiefelder (TTfields, TTF). Die genaue Wirkmechanismus des Verfahrens ist unklar. Die Wechselfelder behindern vermutlich die Ausbildung des Spindelapparates und damit die korrekte Ausrichtung der Schwesterchromatiden. Dies resultiert in einer Störung der Zellteilung (Mitose).
Das Verfahren ist seit 2011 in den USA zugelassen und darf auch in Deutschland durchgeführt werden. In einer 2017 veröffentlichten Phase-III-Studie mit 692 Patienten wurde gezeigt, dass die Progression bei einer Behandlung mit TTF plus Temozolomid bei 6,7 Monaten lag, im Fall der alleinigen Gabe von Temozolomid nur bei 4,0.[5]
Eine prinzipielle Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung wurde 2020 in einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) empfohlen.[6] Seit 2021 werden TTF zudem unter bestimmten Voraussetzungen als Therapieoption für neu diagnostizierte Glioblastome in den Leitlinien der DGN und der DGHO aufgeführt. Derzeit (2022) existieren in Deutschland über 170 Kliniken, die eine Anwendung mit TTF anbieten.
Sonstige Therapie
Zur Reduktion des perifokalen Ödems eignen sich Mannitol und Steroide.
Prognose
Die Prognose des GBM ist schlecht. Die mittlere Überlebenszeit beträgt trotz Behandlung oft nur 8 bis 18 Monate. Großzellige GBMs haben eine geringfügig bessere Prognose als kleinzellige.
Quellen
- ↑ Louis et al: The 2016 World Health Organization Classification of Tumors of the Central Nervous System: a summary Acta Neuropathologica, 2016
- ↑ Onkopedia-Leitlinie: Gliome im Erwachsenenalter 2019
- ↑ Binabaj MM et al.: The prognostic value of MGMT promoter methylation in glioblastoma: A meta-analysis of clinical trials. J Cell Physiol. 2018 Jan;233(1):378-386. doi: 10.1002/jcp.25896. Epub 2017 May 16.
- ↑ Wick W, Gorlia T, Bendszus M et al.: Lomustine and Bevacizumab in Progressive Glioblastoma. N Engl J Med. 2017 Nov 16;377(20):1954-1963. doi: 10.1056/NEJMoa1707358.
- ↑ Stupp R, Taillibert S et al Effect of Tumor-Treating Fields Plus Maintenance Temozolomide vs Maintenance Temozolomide Alone on Survival in Patients With Glioblastoma: A Randomized Clinical Trial. AMA. 2017
- ↑ GBA Pressemitteilung - Behandlung von Glioblastomen mit Tumortherapiefeldern wird verordnungsfähig, abgerufen am 27.05.2022