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FlexiEssay: Reservoirwirt - Trypanosomatiden

Dr. rer. pol. Werner Lange
Nichtmedizinischer Beruf
Dr. Frank Antwerpes
Arzt | Ärztin
Dr. rer. pol. Werner Lange, Dr. Frank Antwerpes

Dieser Text ein so genannter FlexiEssay. So nennen wir Texte, die keinen lexikalischen Inhalt haben. FlexiEssays geben die persönliche Einschätzung des Autors wieder. Sie werden von uns nicht inhaltlich überprüft. Wie bei allen anderen Texten gilt: Lies dir den Artikel kritisch durch, vergleiche ihn mit anderen Publikationen und bilde dir eine eigene Meinung.

Vorbemerkung

Dieser FlexiEssay liefert eine allgemeingültige Definition des Begriffs Reservoirwirt, der auch für eine Infektion des Menschen durch humanpathogene Leishmanien korrekt ist. (Die Definition bezieht sich also nicht nur auf Trypanosomatiden).

Dazu muss zunächst den Begriffen Zoonose und Anthroponose eine neue Form gegeben werden.

Eine Zoonose ist eine Infektionskrankheit, die von Wirbeltieren auf den Menschen und umgekehrt vom Menschen auf Wirbeltiere übertragbar ist. Eine direkte oder indirekte Übertragung von Mensch zu Mensch, insbesondere eine Übertragung über einen Vektor von Mensch zu Mensch, darf nur dann angenommen werden, wenn der Mensch als Reservoirwirt explizit erwähnt wird. Diese Definition ist konsistent mit dem WHO-Bericht 949 über die Kontrolle von Leishmaniosen, Kap. 2.4.[1]

Eine Anthroponose ist eine Infektionskrankheit, die von Mensch zu Mensch, nicht aber von einem Wirbeltier auf den Menschen übertragen werden kann. Es ist dabei gleichgültig, ob der Erreger der Infektion auch andere Wirbeltiere befällt. Auch ist es gleichgültig, ob der Erreger der Infektionskrankheit vom Menschen auf Wirbeltiere übertragen werden kann, was in der medizinischen Forschung häufig nicht untersucht wird.

Die im Weiteren vermittelten Informationen zeigen das große Bild, von dem es insbesondere in Ausnahmesituationen auch Abweichungen geben kann. So wurden nach dem Ausbruch einiger großer Leishmaniose-Epidemien über den jeweiligen Vektor auch Mensch-zu-Mensch-Infektionen bei ansonsten rein zoonotischen Leishmanien-Spezies festgestellt (siehe WHO-Bericht 949, Kap. 2.4.4)[1].

Zur Verdeutlichung des Zwecks der Definition werden im Anschluss einige Beispiele für Infektionen durch humanpathogene Leishmanien und zu Vergleichszwecken durch humanpathogene Trypanosomen angeführt. Genaugenommen wäre bereits für die Trypanosomen die neue Definition nicht erforderlich.

Definition

Ein Reservoirwirt des Erregers einer Infektionskrankheit des Menschen ist eine Wirbeltier-Spezies (inklusive eventuell des Menschen), die in einer bestimmten Region

  • als Population auf Dauer ebenfalls durch den Erreger infiziert ist und
  • von der aus der Erreger auf den Menschen übertragen werden kann.

Bemerkungen zur Definition

Durch Vektoren übertragene Infektionskrankheiten

Der Begriff Reservoirwirt wird vor allem für durch Vektoren übertragene Infektionskrankheiten verwendet. Durch die Definition wird festgelegt, dass bei den durch Vektoren übertragenen Krankheiten die Vektoren (im Allgemeinen Arthropoden) keine Reservoirwirte sind. In WHO-Veröffentlichungen werden pro Region Reservoirwirte und Vektoren stets getrennt aufgeführt.

Der Begriff Reservoirwirt ist damit durch seine Beschränkung auf Wirbeltiere auch konsistent zur WHO-Definition des Begriffs Zoonose.

Zoonotische und anthroponotische Infektionen

Zoonotische Infektionen sind ein natürliches Anwendungsgebiet des Begriffs Reservoirwirt.

Bei den meisten von Mensch zu Mensch übertragenen Infektionskrankheiten ist der Begriff Reservoirwirt Mensch üblicherweise nicht gebräuchlich.

Es gibt jedoch eine Reihe von Erreger-Gattungen, deren Infektionen bei einigen untergeordneten Spezies zoonotisch, bei anderen anthroponotisch sind. Im Zusammenhang mit diesen anthroponotischen Infektionskankheiten wird der Mensch zum Zweck einer einfachen vergleichenden Sprechweise als Reservoirwirt (des Menschen) bezeichnet.

Bekämpfung des Erregers

Über die Reservoirwirte kann dauernd eine neue Infektion des Menschen durch den zur Diskussion stehenden Erreger, meistens ein pathogener Mikroorganismus, erfolgen. Eine nachhaltige Bekämpfung der Infektionskrankheit muss deshalb die Bekämpfung der Krankheit bei den Reservoirwirten (Reservoirkontrolle – Behandlung, Impfung, Keulen) einschließen. Dies ist faktisch nur bei Haus- und Nutztieren sowie im peridomestischen Umfeld (z.B. Bekämpfung von Mäusen und Ratten, eventuell auch von hausnah lebenden Wildtieren, oft verbunden mit Kollateralschäden bei anderen Tieren) möglich.

Bei durch Vektoren übertragenen Krankheiten kann zusätzlich der Vektor bekämpft werden (Vektorkontrolle, z.B. durch Innenraumbesprühung mit Residualeffekt bei endophilen Vektoren).

Es ist für die Klassifizierung als Reservoirwirt irrelevant, ob Wirtsindividuen durch den Erreger selbst erkranken oder ob der Erreger für diese Individuen sogar tödlich sein kann. Allein bedeutend ist, dass der Erreger in einer Wirtspopulation auf Dauer überleben bzw. fortbestehen kann.

Die Definition des Reservoirwirts bezieht sich auf eine bestimmte Region. Bei durch Vektoren übertragenen Erregern ist zunächst erforderlich, dass in einer betroffenen Region geeignete Vektoren vorhanden sind, um den Erreger von einem anderen Wirt des Erregers auf den Menschen zu übertragen. So kann ein Wirt des Erregers in einer Region ein Reservoirwirt des Menschen sein (Vektor vorhanden) und einer anderen Region nicht (kein Vektor vorhanden). Neben diesen noch nachvollziehbaren Gründen gibt es jedoch einige antiintuitive Beziehungen zwischen Mensch, anderem Wirt und Vektor. Es mag durchaus sein, dass ein Vektor den alternativen Wirt und den Menschen anfliegt oder in anderer Form befällt, den Erreger aber trotzdem nicht überträgt. Die weiter unten folgenden Beispiele erwähnen einige dieser antiintuitiven Zusammenhänge.

Schließlich muss Erwähnung finden, dass das Ausmaß der Infektion in Bezug auf bestimmte Erreger und bestimmte Reservoirwirte sehr relativ sein kann. Eine als Endemiegebiet eines Erregers oder der zugehörigen Infektionskrankheit klassifizierte Region wird häufig durch die Prävalenz des Erregers in Wirten und Vektoren klassifiziert. Es stellt sich aber häufig heraus, dass nur einige der Vektoren und einige der Wirte für die Ausbreitung der Krankheit relevant sind. Andere Vektoren und andere Reservoirwirte sind zwar an der Übertragung des Erregers auf den Menschen ebenfalls in geringem Umfang beteiligt, würden aber allein keine Endemie bewirken.

Beispiele

Im Folgenden werden einige Beispiele mit durch Vektoren übertragenen Trypanosomatiden als Erregern erwähnt.

  • Leishmania panamensis: Hauptsächliche Reservoirwirte der durch den Erreger (Subgenus: Viannia) bewirkten zoonotischen kutanen oder mukokutanen Infektionskrankheit sind das Zweifinger-Faultier Choloepus hoffmanni (Kolumbien, Costa Rica, Panama) und das Dreifinger-Faultier Bradypus griseus (Costa Rica). Der Erreger wurde auch in verschiedenen Nagetieren und in Hunden festgestellt, jedoch spielen diese vermutlich bei der Ausbreitung der Krankheit keine große Rolle.[1] Kap. 5.8 Entweder sind die erwähnten Nagetiere und Hunde keine Reservoirwirte, oder sie sind zumindest für die Ausbreitung der Infektionskrankheit nicht relevant. In der Mehrheit der süd- und mittelamerikanischen Länder werden sie nicht als Reservoirwirte erwähnt.
  • Leishmania amazonensis: Zu den Reservoirwirten des zoonotischen Erregers (Subgenus: Leishmania) gehören verschiedene Nagetiere, in Brasilien vor allem Kurzstachelratten (Proechimys) und Reisratten (Oryzomys), zusätzlich mit geringerer Bedeutung Rotnasenmäuse und verwandte Arten (Wiedomys). Reisratten sind auch die einzigen bekannten Wirte in Bolivien und Kurzstachelratten die alleinigen bekannten Wirte in Französisch-Guayana. In Ecuador sind noch Eichhörnchen (Sciurus) als Reservoirwirte bekannt. In vielen der verstreuten Endemiegebiete sind die Reservoirwirte jedoch unbekannt. Leishmania amazonensis ist ein äußerst aggressiver humanpathogener Erreger, der zu komplikationsreichen kutanen Leishmaniosen führen kann. Der hauptsächliche Vektor, die Sandmücke Lutzomyia flaviscutellata, ist (ebenso wie zwei andere seltenere Lutzomyia-Vektoren) aber nur sehr schwach anthropophil. Aus diesem Grunde ist die Endemizität des Erregers gering.[1]
  • Leishmania infantum: Zoonotische Infektionen durch Leishmania infantum (Subgenus: Leishmania) sind bei immunkompetenten Erwachsenen normalerweise asymptomatisch. Früher erkrankten nur Kinder bis zu 4 Jahren an viszeraler (und seltener kutaner) Leishmaniose, heute treten in erheblicher Zahl Erkrankungsfälle bei AIDS-Kranken und anderen immunsupprimierten Patienten auf. Hauptsächlicher und für die Ausbreitung alleinig relevanter Reservoirwirt ist der Hund. Besonders in tropischen Entwicklungsländern, aber auch in verschiedenen Gebieten des Mittelmeerraums, sind ca. 50% der Hunde mit Leishmania infantum infiziert. Die Übertragung erfolgt via den Vektor überwiegend von Hund zu Hund. Ohne eine nur sehr selten durchgeführte (teure) wirksame Behandlung endet die viszerale (und oft zusätzlich kutane) Erkrankung nach langer Leidenszeit meist tödlich. Die durch Leishmania infantum bewirkte Leishmaniose ist primär eine Infektionskrankheit des Hundes. Gemäß Programmen der WHO sollen infizierte Hunde gekeult werden, was aber genau dort, wo die Krankheit die Hälfte der Hunde erfasst, weder bekannt noch durchführbar ist.
  • Leishmania donovani: Die durch Leishmania donovani (Subgenus: Leishmania) bewirkte Anthroponose ist in einer relativ kleinen, aber dicht bevölkerten Region in Nordost-Indien, Südost-Nepal und dem mittlerem Bangladesh für mehr als zwei Drittel aller weltweiten Erkrankungen an viszeraler Leishmaniose verantwortlich.[1] Fast alleiniger Vektor in dieser Region ist die Sandmücke Phlebotomus argentipes, die unter den Nutztieren auch Hausrinder, Büffel, Ziegen und Hühner mit dem Erreger infiziert. Trotzdem gibt es gemäß äußerst intensiven wissenschaftlichen Studien keine Hinweise auf eine zoonotische Infektion durch den Erreger. Hausrinder, Büffel, Ziegen und Hühner sind also KEINE Reservoirwirte. Es gibt jedoch eine Reihe von Studien, welche die These vertreten, dass Rinder in der Umgebung menschlicher Behausungen die Gefahr einer Erkrankung des Menschen verringern, weil Phlebotomus argentipes Rinder häufiger anfliegt als Menschen. Die endophile Sandmücke Phlebotomus argentipes kann durch Innenraumbesprühung mit Residualeffekt bekämpft werden.
  • Trypanosoma brucei gambiense: Der Erreger der Westafrikanischen Schlafkrankheit, der für ca. 98% aller Erkrankungen an Afrikanischer Trypanosomiasis verantwortlich ist[2], wird in feuchten Biotopen (z.B. Regenwäldern Westafrikas) durch die anthrophophile Tsetse-Fliege Glossina palpalis übertragen. Hauptsächlicher Reservoirwirt ist der Mensch, zusätzliche Reservoirwirte mit gemäß WHO in Bezug auf die Ausbreitung der Krankheit noch nicht vollständig geklärter Relevanz[3] sind Schweine und Hunde.[4] S. 140 Die Bekämpfung der überwiegend via den Vektor von Mensch zu Mensch übertragenen Infektionskrankheit erfolgt durch breites Screening und frühzeitige Behandlung in der Monate und Jahre andauernden anfänglichen asymptomatischen Phase – durch Verringerung der erkrankten Menschen wird zugleich das Erregerreservoir verringert – und durch aufwändige Vektorkontrolle (großflächiges Versprühen von Insektiziden vom Flugzeug aus, Abholzen von siedlungsnahem Buschwerk, das als Brutstätte der Tsetse-Fliegen gilt), die sich auch gegen die Tsetse-Fliegen-Vektoren der Trypanosomen der Nagana-Seuchen richtet.
  • Trypanosoma brucei rhodesiense: Der Erreger wird in Savannenbiotopen Ostafrikas durch die nur sehr schwach anthropophile Tsetse-Fliege Glossina morsitans übertragen. Hauptsächliche Reservoirwirte sind Wildtiere wie der Buschbock und die Kuhantilope, aber auch Schafe, Ziegen und Rinder. Bei diesen Wirten ist die Krankheit höchstens latent vorhanden, nur für den sehr selten infizierten Reservoirwirt Mensch führt die Krankheit ohne Behandlung relativ schnell (nach 3-7 Monaten) zum Tode.[4], S. 140-141
  • Trypanosoma cruzi: In Süd- und Mittelamerika werden mehr als 150 Säugetierarten befallen, die im Prinzip neben dem Menschen als Reservoirwirte dienen können. Im Haus lebende Hunde und Meerschweinchen und verschiedene hausnah lebende Wildtiere wie das Opossum gelten als hauptsächliche Wirte. Die Bekämpfung erfolgt mittels Vektorkontrolle (Insektizide, Verbesserung der Wohnbedingungen) der Raubwanzen, über deren Kot und Urin der Erreger übertragen wird.[5], S. 154-155 Uruguay hat z.B. gemeldet, dass alle Vektoren der Chagas-Krankheit im Land vernichtet sind.

Überlebensstrategien von Erregern

Die Gesamtheit der Reservoirwirte von Infektionen des Menschen wird auch als Wirtsreservoir dieser Infektionen bezeichnet.

Anstelle des Menschen ließe sich z.B. für eine veterinärmedizinische Verwendung auch eine andere Wirbeltier-Spezies ins Zentrum einer ansonsten gleichartigen Definition des Reservoirwirts stellen. In den meisten Fällen wären allerdings hier mit WHO-Veröffentlichungen vergleichbare Detailergebnisse nicht verfügbar.

Wie die erwähnten Beispiele zeigen, gibt es auch für Leishmanien neben dem Wirtsreservoir menschlicher Infektionen noch andere Wirbeltier-Wirte, von denen lediglich keine Infektion des Menschen ausgeht. Auch eine Reihe von enzootischen Leishmaniosen ist in der Literatur erwähnt, jedoch ist die Studienlage hier im Vergleich zu menschlichen Infektionen stark eingeschränkt.

Die Gesamtheit der Wirte ist entscheidend für das Überleben von Erregern, im Allgemeinen Mikroorganismen, in denen diese Erreger überdauern und von denen aus sie fortlaufend andere Wirte infizieren können. Menschliche Infektionen spielen dabei eine Rolle am Rande, die nur durch den Fokus der Humanmedizin in den Mittelpunkt gerückt werden.

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Control of the leishmaniases WHO Technical Report 949, WHO 2010
  2. WHO Factsheet Human African Trypanosomiasis, Februar 2020
  3. Büscher et al. Human African trypanosomiasis, Veröffentlichung durch die WHO 2017
  4. 4,0 4,1 Lucius/Loos-Frank, Biologie von Parasiten, Springer 2008 Kap. Trypanosoma brucei, abgerufen am 7.9.2017
  5. Lucius/Loos-Frank, Biologie von Parasiten, Springer 2008 Kap. Chagas-Krankheit, abgerufen am 7.9.2017
Fachgebiete: Parasitologie