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FlexiEssay: Daten und Fakten zur Sepsis

Dipl.-Biol. Timo Freyer
Biologe/in | Chemiker/in | Naturwissenschaftler/in
Dr. Frank Antwerpes
Arzt | Ärztin
Natascha van den Höfel
DocCheck Team
Dipl.-Biol. Timo Freyer, Dr. Frank Antwerpes + 1

Dieser Text ein so genannter FlexiEssay. So nennen wir Texte, die keinen lexikalischen Inhalt haben. FlexiEssays geben die persönliche Einschätzung des Autors wieder. Sie werden von uns nicht inhaltlich überprüft. Wie bei allen anderen Texten gilt: Lies dir den Artikel kritisch durch, vergleiche ihn mit anderen Publikationen und bilde dir eine eigene Meinung.

Die Sepsis ist häufig und geht mit einem hohen Risiko für Tod und Spätfolgen einher

Ungeachtet der Fortschritte der modernen Medizin – darunter Impfstoffe, Antibiotika und Intensivversorgung –ist die Sepsis weiterhin die Haupttodesursache bei Infektionen. Die Sepsis, die allgemein häufig als „Blutvergiftung“ fehlverstanden wird, stellt weltweit eine der führenden Todesursachen dar. Zu einer Sepsis kommt es, wenn die körperliche Antwort auf eine Infektion zur Schädigung der eigenen Gewebe und Organe führt. Wird die Sepsis nicht frühzeitig diagnostiziert und sofort behandelt, kann diese zu einem septischen Schock, Multiorganversagen und auch zum Tode führen. 30 – 50 % der betroffenen Patienten versterben infolge der Sepsis.[1][2]

In den Entwicklungsländern sind es sogar 60 – 80 %, darunter jährlich mehr als sechs Millionen Neugeborene und Kinder. Mehr als 100.000 Frauen erkranken an einer maternalen Sepsis, also einer Sepsis während Schwangerschaft oder infolge einer Geburt.[3] Jede Stunde erliegen etwa 36 Menschen einer Sepsis und allein in den USA sind jedes Jahr mehr als 1,16 Millionen Menschen betroffen.[4] An einer Sepsis versterben pro Jahr mehr Menschen, als an Prostatakrebs, Brustkrebs und HIV/AIDS zusammen. Es wird geschätzt, dass weltweit jedes Jahr 18 Millionen Fälle einer Sepsis auftreten. Fachleute auf dem Gebiet gehen davon aus, dass in der Tat mehrheitlich die Sepsis für die Mortalitätsraten verantwortlich ist, die mit HIV/AIDS, Malaria, Pneumonie und anderen ambulant, nosokomial oder durch eine traumatische Verletzung erworbenen Infektionen einhergehen.[5] Patienten, die eine Sepsis überleben, tragen ein doppelt so hohes Risiko, in den nachfolgenden fünf Jahren zu versterben, als andere stationär behandelte Vergleichspatienten. Zudem leiden sie unter körperlichen, kognitiven und affektiven Gesundheitsproblemen.[6]

Die Inzidenz der Sepsis nimmt dramatisch zu

Die Zahl der neuen Sepsisfälle ist drastisch angestiegen. Ein Grund dafür liegt in der alternden Bevölkerung.[1][5] Die Errungenschaften der modernen Medizin, wie beispielsweise Impfstoff-, Antibiotika- und Intensivtherapie, konnten dem bisher nicht entscheidend entgegenwirken. Im Verlauf der letzten 10 Jahre hat sich dabei die Anzahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Sepsis mehr als verdoppelt[5][7][8] und in den USA sogar die Zahl der stationären Behandlungen infolge eines Herzinfarkts überholt[4][8], siehe Abbildung 1. Internationale und nationale Studien haben ergeben, dass 20 – 40 % der Sepsispatienten, die intensivmedizinisch behandelt wurden, die Erkrankung außerhalb des Krankenhauses entwickelten.[9] Die Sepsisinzidenz infolge eines operativen Eingriffs hat sich in den USA von 1997 bis 2006 von 0,3 % auf 0,9 % verdreifacht.[10]

Die Sepsisdiagnose erfolgt häufig mit Verzögerung

Eine Sepsis wird häufig zu spät diagnostiziert. Ursachen dafür sind die derzeit für die Sepsisdiagnose angewandten klinischen Symptome und Laborwerte, unter anderem erhöhte Temperatur, beschleunigter Puls oder erhöhte Atemfrequenz oder Leukozytengesamtzahl, welche allesamt unspezifisch sind. Bei Kindern können sich die klinischen Zeichen und Symptome zunächst schleichend zeigen und dann rasch verschlechtern. Insgesamt werden die septischen Krankheitsbilder nur unzureichend wahrgenommen und kaum verstanden. Dem liegen die Unklarheiten bei der Definition der Krankheitsbilder unter Patienten und medizinischen Versorgern zugrunde sowie die fehlende Nennung der Sepsis als Todesursache auf Totenscheinen, inadäquate Diagnostika und die uneinheitliche Anwendung der standardisierten klinischen Leitlinien zur Sepsisbehandlung.[5]

Die Sepsis verursacht hohe und weiterhin steigende Kosten

Schätzungsweise 14,6 Milliarden US-Dollar wurden im Jahr 2008 in den USA für die stationäre Behandlung von Sepsispatienten ausgegeben, und von 1997 bis 2008 nahmen die inflationsbereinigten Gesamtkosten für die stationäre Behandlung dieser Patienten jedes Jahr um durchschnittlich um 11,9 % zu.[4] Zu den Kosten für die von der Sepsis verursachten Langzeitfolgen sind keine Zahlen bekannt. Für Europa wird geschätzt, dass die Behandlung einer typischen Sepsisepisode die Gesundheitsdienste ungefähr 25.000 Euro kostet. Gemessen an dem beträchtlichen Verlust an Lebensjahren sind die menschlichen Kosten der Sepsis enorm.[11]

Die Sepsis ist ein medizinischer Notfall

Die rasche Einleitung einfacher, zeitlich abgestimmter Interventionen wie Antibiotikagabe[12] und intravenöse Flüssigkeitssubstitution[13]können das Risiko für einen letalen Ausgang halbieren. Patienten mit Verdacht auf Sepsis sollten umgehend an eine geeignete Einrichtung überwiesen werden. Der frühzeitige Therapiebeginn ist kosteneffektiv und reduziert die Anzahl der Bettentage im Krankenhaus bzw. der Intensivstation. Bedauerlicherweise wird die Sepsis weiterhin meist erst übersehen und dann schließlich zu spät erkannt.

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Die Zahlen für die stationäre Sepsisbehandlung übersteigen heute die Herzinfarktinzidenz

Primärautor

Dieses FlexiEssay stammt von Prof. Dr. Konrad Reinhart, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chairman Global Sepsis Allianz.

Quellen

  1. 1,0 1,1 Angus DC, Linde-Zwirble WT, Lidicker J, Clermont G, Carcillo J, Pinsky MR. Epidemiology of severe sepsis in the United States: analysis of incidence, outcome, and associated costs of care. Crit Care Med, 2001. 29(7): p. 1303-10.
  2. Engel C, Brunkhorst FM, Bone HG, Brunkhorst R, Gerlach H, Grond S, Gruendling M, Huhle G, Jaschinski U, John S, Mayer K, Oppert M, Olthoff D, Quintel M, Ragaller M, Rossaint R, Stuber F, Weiler N, Welte T, Bogatsch H, Hartog C, Loeffler MReinhart K. Epidemiology of sepsis in Germany: results from a national prospective multicenter study. Intensive Care Med, 2007. 33(4): p. 606-18.
  3. Kissoon N, Carcillo JA, Espinosa V, Argent A, Devictor D, Madden M, Singhi S, van der Voort E, Latour J. World Federation of Pediatric Intensive Care and Critical Care Societies: Global Sepsis Initiative. Pediatr Crit Care Med, 2011. 12(5): p. 494-503.
  4. 4,0 4,1 4,2 Hall MJ, Williams SN, DeFrances CJ, Golosinskiy A (2011) Inpatient care for septicemia or sepsis: A challenge for patients and hospitals. NCHS data brief. Hyattsville, MD: National Center for Health Statistics DOI: http://www.cdc.gov/nchs/data/databriefs/db62.htm
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 International Organizations Declare Sepsis a Medical Emergency. Issued by an expert panel representing 20 adult and pediatric intensive care societies, October 4th 2010. 2010:Press release. Available from: http://www.prnewswire.com/news-releases/international-organizations-declare-sepsis-a-global-medical-emergency-104142073.html.[accessed 2012 16th February]
  6. Angus DC. The lingering consequences of sepsis: a hidden public health disaster? JAMA, 2010. 304(16): p. 1833-4.
  7. Kumar G, Kumar N, Taneja A, Kaleekal T, Tarima S, McGinley E, Jimenez E, Mohan A, Khan RA, Whittle J, Jacobs E, Nanchal R. Nationwide trends of severe sepsis in the 21st century (2000-2007). Chest, 2011. 140(5): p. 1223-31.
  8. 8,0 8,1 Yeh RW, Sidney S, Chandra M, Sorel M, Selby JV, Go AS. Population trends in the incidence and outcomes of acute myocardial infarction. N Engl J Med, 2010. 362(23): p. 2155-65.
  9. Beale R, Reinhart K, Brunkhorst FM, Dobb G, Levy M, Martin G, Martin C, Ramsey G, Silva E, Vallet B, Vincent JL, Janes JM, Sarwat S, Williams MD. Promoting Global Research Excellence in Severe Sepsis (PROGRESS): lessons from an international sepsis registry. Infection, 2009. 37(3): p. 222-32.
  10. Bateman BT, Schmidt U, Berman MF, Bittner EA. Temporal trends in the epidemiology of severe postoperative sepsis after elective surgery: a large, nationwide sample. Anesthesiology, 2010. 112(4): p. 917-25.
  11. Vincent JL, Sakr Y, Sprung CL, Ranieri VM, Reinhart K, Gerlach H, et al. Sepsis in European intensive care units: results of the SOAP study. Critical Care Medicine 2006; 34(2):344-53.
  12. Kumar A, Roberts D, Wood KE, Light B, Parrillo JE, Sharma S, Suppes R, Feinstein D, Zanotti S, Taiberg L, Gurka D, Kumar A, Cheang M. Duration of hypotension before initiation of effective antimicrobial therapy is the critical determinant of survival in human septic shock. Crit Care Med, 2006. 34(6): p. 1589-96.
  13. Rivers E, Nguyen B, Havstad S, Ressler J, Muzzin A, Knoblich B, Peterson E, Tomlanovich M. Early goal-directed therapy in the treatment of severe sepsis and septic shock. N Engl J Med, 2001. 345(19): p. 1368-77.