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FlexiEssay: Assistierter Suizid in der Schweiz

Dr. No
Dr. Frank Antwerpes
Arzt | Ärztin
Emrah Hircin
Arzt | Ärztin
Dr. No, Dr. Frank Antwerpes + 1

Dieser Text ein so genannter FlexiEssay. So nennen wir Texte, die keinen lexikalischen Inhalt haben. FlexiEssays geben die persönliche Einschätzung des Autors wieder. Sie werden von uns nicht inhaltlich überprüft. Wie bei allen anderen Texten gilt: Lies dir den Artikel kritisch durch, vergleiche ihn mit anderen Publikationen und bilde dir eine eigene Meinung.

Einleitung

Der Mensch hat das Recht, sein Leben nach seinem Gutdünken zu führen, solange er nicht das eines anderen dadurch beeinträchtigt. Dieses ist ein Grundrecht und im Grundgesetz im Paragraph 1 mit dem Begriff der Menschenwürde umschrieben.

Wenn dieses Leben nun jedoch nicht lebenswert erscheint, da schwere Krankheit oder Verlust des Sinnträgers, der menschlich wie materiell sein kann, die Lebensumstände deutlich verschlechtern, gibt es dann die Freiheit für den Einzelnen, dieses zu beenden? Besteht die Möglichkeit hierbei Hilfe, Anleitung, Begleitung von offizieller Seite zu erhalten?

Bei chronisch somatischen Erkrankungen, deren Verlauf absehbar ist, gibt es inzwischen Zuspruch für eine Leidensminderung, die im Ausnahmefall den Tod des Patienten verfrüht und künstlich herbeiführt. Wie jedoch ist es bei psychisch Kranken, deren Krankheit nicht greifbar, darstellbar ist. Der Wunsch nach Suizid kann bei diesen Ausdruck einer akuten psychischen Leidensphase sein, die jedoch innerhalb von Tagen medikamentös überwunden werden kann. Ist dieses dann geschehen, kommt für den Patienten der Suizid nicht mehr in Betracht. Wie lassen sich diese von psychiatrischen Patienten unterscheiden, deren Todeswunsch mit klarem Willen beschlossen ist?

In der Schweiz ist der sogenannte assistierte Suizid gesetzlich geregelt. Ein Verein der sich auf dessen Praxis spezialisiert hat, wird im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt. Des Weiteren wird der Rollenkonflikt des Arztes als Sterbebegleiter dargestellt.

Euthanasie, Sterbehilfe und assistierter Suizid

Euthanasie

Der Begriff "Euthanasie" bedeutet aus dem Griechischen abgeleitet "schöner Tod" und wird in diesem Sinn für die Sterbehilfe schwerkranker Menschen im Finalstadium verwendet. In Deutschland wird dieser Begriff selten verwendet, da er in Zeiten des Nationalsozialismus dem Programm für die geplante Vernichtung sogenannten unwerten Lebens den Namen gab und somit als historisch geschädigt anzusehen ist.

So starben im Rahmen der darwinistisch begründeten Rassenhygiene zwischen 1939 und 1945 bis zu 130000 sowohl körperlich als auch geistig behinderte Menschen den Gnadentod, der sie zum Teil infolge bewußt überdosierter Medikamentengabe ereilte.

Von der Euthanasie läßt sich die Palliativmedizin abgrenzen, deren Ziel ebenfalls die Patientenbegleitung zum Ziel hat, allerdings mit der Priorität das Leben trotz schwerer, zum Tod führender Krankheit weiter zu erhalten und z.B. mittels Schmerztherapie erträglich zu machen.

Sterbehilfe

Die Sterbehilfe findet nicht ausschließlich bei Patienten statt, die unmittelbar vor dem Ausscheiden aus dem Leben stehen, sondern auch bei jenen, die einen schweren Krankheitsverlauf zu erwarten haben. Deshalb ist die Zielstellung auch klar definiert: das Sterben stellt die ultima ratio der Leidensminderung dar. Es sind hierbei Tötungen zugungsten Dritter auszuschließen.

Die Sterbehilfe ist darüber definiert, daß ein Dritter, im Regelfall ist dies der Arzt, Maßnahmen durchführt, die im Rahmen der Leidensminderung den Tod herbeiführen. Es ist zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe zu unterscheiden.

Bei der aktiven Sterbehilfe findet ein physischer Eingriff statt, zum Beispiel die Medikamenüberdosis wie im Rahmen des bereits beschriebenen Euthanasieprogramms im Dritten Reich, was den Tod herbei führt, obwohl dieser vom körperlichen Status noch nicht zwingend bzw. wahrscheinlich gewesen wäre. Der Tod resultiert hierbei einzig aus dem Eingriff.

Der Begriff der aktiven Sterbehilfe läßt eine weitere Unterteilung zu, so daß das voran beschriebene Beispiel als direkte Sterbehilfe zu bezeichnen wäre, da das Medikament zur direkten Tötung eingesetzt wurde. Im Fall der indirekten Sterbehilfe verstirbt der Patient ebenfalls infolge der Medikamentenapplikation, wobei der Tod hierbei als Nebenwirkung zu betrachten ist. So wirken starke Opiate, die in der Schmerztherapie zum Beispiel im Bereich der Onkologie eingesetzt werden, atmungs- und kreislaufhemmend. Die von erfahrenen Onkologen und vor allem in der Palliativmedizin von geschulten Ärzten durchgeführte Schmerztherapie mit diesen Pharmaka führt jedoch in der Regel nicht zu einer wesentlichen Verkürzung des Lebens.

Während die aktive direkte Sterbehilfe in Deutschland unter Strafe steht, sind Ärzte zur indirekten verpflichtet, da ihr Arbeitsgebiet die Leidensminderung impliziert und von unterlassener Hilfeleistung zu sprechen wäre, sollte sie nicht ausgeführt werden.

Im Gegensatz zur aktiven zeichnet sich die passive Sterbehilfe dadurch aus, daß keine dem Sterben direkt förderliche Tat vollführt, sondern vielmehr eine lebensverlängernde Maßnahme nicht angewandt wird. Als Beispiel hierfür wäre das Einstellen bzw. die nicht Aufnahme der künstlichen Ernährung bei im Sterben liegenden Personen zu nennen. Die ausbleibende Nahrungsaufnahme infolge sterbeprozeßbedingter Vigilanzstörung führt in diesem Fall auf natürlichem Weg zum Versterben des Patienten.

Eine heikle Position und von Presse wie Öffentlichkeit mit besonderem Interesse beobachtet nimmt die Therapiebeendigung von langjährigen Wachkomapatienten ein. Es handelt sich hierbei jedoch vielmehr um utilitaristische Beweggründe, wobei nach Singer die Lebensberechtigung einer Kreatur von ihrem Bewußtsein abhängt, als daß das Motiv der Sterbehilfe angebracht werden kann, da diese über Leidminderung definiert ist und gegenwärtig nicht geklärt ist, inwieweit ein entsprechender Patient bei Bewußtsein ist und Leid empfindet.

Juristisch gesehen ist die passive Sterbehilfe legal. Wird eine bereits begonnene künstliche Ernährung oder Beatmung aktiv beendet, erfüllt dieser Tatbestand immer noch die Definition der passiven Sterbehilfe. Es kommt im Rahmen einer Rollenumverteilung, in der der behandelnde Arzt die Versorgung des intensiv versorgten Patienten auf ein geringeres Maß herabsetzt, zum bis dahin mit künstlichen Mitteln verdrängten physiologischen Tod. Wenn auch juristisch gleich zu behandeln, stellt der Abbruch entsprechender Maßnahmen eine große Gewissensbelastung dar, da der bis dahin das Leben seines Patienten erhaltende Akteur nun dessen Ende einläutet.

Neben dem medizinischen Personal stehen häufig auch die Angehörigen der besagten Patientengruppe unter öffentlichem Druck, da diese maßgebend für Weiterleben oder Sterben verantwortlich sind und sich nach dem meist hart errungenem Urteil zur Therapiebeendigung für diese rechtfertigen müssen und somit emotional sehr belastet sind.

Es ist zusammenfassend und in Abgrenzung zum assistierten Suizid festzuhalten, daß Sterbehilfe, aktiv wie passiv, immer von Dritten, im Regelfall Medizinern bzw. ihnen unterstelltem Pflegepersonal, ausgeführt wird, wobei der Patient sowohl wach als auch ohne Bewußtsein sein kann.

Der assistierte Suizid

Unter dem assistierten Suizid wird die Beihilfe zum Selbstmord verstanden. Waren bei der Sterbehilfe die Ärzte ausführend in der todbringenden Aktion, sind sie in diesem Fall assistierend tätig, indem sie zum Beispiel dem Patienten das tödliche Medikament aushändigen und nach der Applikation bis zum Versterben in dessen Nähe bleiben, um anschließend den Tod festzustellen. Den Totenschein auszustellen ist ihm jedoch nicht erlaubt.

Dieser Vorgang der Selbsttötung kann nur von Patienten im Wachzustand ausgeführt werden, da die Einnahme eines Medikaments auf oralem Weg geschieht oder parenteral unter Zuhilfenahme einer Infusion, deren Einlaufen vom Patienten initialisiert werden muß.

Da es sich im weiteren um die Suizidbegleitung in der Schweiz handelt, soll hier der Verweis der Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) erwähnt werden, die zuletzt 2004 medizinisch-ethische Richtlinien für die Euthanasie und den assisierten Suizid erstellt hat. Inhalt ist unter anderem das Verbot von Seiten des Arztes Suizidhilfe anzubieten, vielmehr wäre nach jeglicher anderen palliativmedizinischen Möglichkeit zu streben.

Außerdem wird auch hier das ärztliche Dilemma klar dargestellt, für den Fall daß der Mediziner aus individuell-moralischen Gründen die Selbsttötung nicht begleiten will, hat er das Recht den Fall abzulehnen. Hiervon kann die Arzt-Patienten-Beziehung gravierend beeinträchtigt werden, da der Patientenwille und dessen Vertrauen in den Arzt, an denen dem Behandelnden in hohem Maß gelegen sein sollte, für nicht ausfürbar beschlossen und abgelehnt wird.

Außerdem gibt der SAMW Kriterien vor, nach denen eine entsprechende Begleitung nur möglich ist, wenn das Lebensende absehbar ist, alle Alternativbehandlungen erörtert und der Sterbewille von einem urteilsfähigen Menschen ohne äußeren Druck dauerhaft geäußert wird. Die Prüfung dieser Punkte muß von einer dritten Person durchgeführt werden um die Rechtmäßigkeit zu bestätigen. Da es sich beim Akt der Selbsttötung um keine natürliche Todesursache handelt, muß sie auf jeden Fall polizeilich erfaßt werden.

Da besonders in Alten- und Pflegeheimen wegen ihres hohen Morbiditätsstandes ein vermehrtes Aufkommen von potentiell beim Suizid zu begleitenden herrscht, findet sich in den Richtlinien der Verweis, daß von der Einrichtungsleitung das Verbot aber kein Zwang für sowohl ärztliche als auch pflegerische Mitarbeiter zur Mitwirkung an Suiziden der Bewohner ausgesprochen werden kann. Dies geschieht, um die entsprechend eingenommenen Rollen zu waren.

Ähnlich der passiven Sterbehilfe ist der assistierte Suizid unter der Vorraussetzung, daß er vom Patienten freiwillig ohne jeden Zweifel und nicht zugunsten eines Dritten geschieht, in der Schweiz straffrei.

EXIT

Der Zweck

Ein Verein der sich unter anderem auf den assistierten Suizid spezialisiert hat, ist EXIT in der Schweiz. 1982 gegründet, nutzt er den rechtlichen Rahmen, Sterbewilligen unter festen Kriterien beim Suizid zu helfen.

Der Artikel 115 des Schweizer Strafgesetzbuches hält die straffreie Unterstützung des Suizids fest, solange diese nicht aus selbstsüchtigen Gründen erfolgt. Ergänzend dazu ist der Paragraph 114 zu beachten, der die aktive Sterbehilfe unter Strafe stellt, womit das Wirkungsfeld klar umrissen ist.

Politisch und konfessionell unabhängig agiert EXIT als Mitglied der World Federation of Right to die society, die es sich zu Hauptaufgabe gemacht hat, das eigene Sterben in Selbstbestimmung durchzuführen. EXIT (Bereich deutsche Schweiz) verfügte im Jahr 2003 über 50000 Mitglieder, bei einer Bevölkerungszahl von 7,36 Millionen Einwohnern. Wenn berücksichtigt wird, dass der Verein auf Werbung verzichtet, ist diese Zahl beachtlich.

Die Interessen, die durch den Verein vertreten werden, können als Mitgliedermagnet angesehen werden, denn in einer gegenwärtigen Medizin, die Leben zum Teil unter allen Umständen erhält, ohne auf den Sinn des Überlebens für den Patienten zu achten und ihn somit zum Weiterleben zwingt, bietet EXIT Unterstützung bei der Erstellung von Patientenverfügungen (PV), die den möglichen Behandlungsrahmen im Fall des Falles für jeden Einzelnen festhalten und auf ein für jeden individuell sinniges Maß beschränken.

Über die Erstellung der PV hinaus, behält der Verein auch ein Auge auf Mitglieder, die sich in Intensivbehandlung befinden, um die Befolgung der PV durchzusetzen. Der Betreuung auf diesem Gebiet kommt hiermit ein großer Anteil der Arbeit zu, denn lediglich 131 assistierte Selbsttötungen wurden im Jahr 2003 durchgeführt.

Die Mitgliedschaft

Zur Mitgliedschaft sind alle Schweizer Staatsbürger ab dem achtzehnten Lebensjahr berechtigt, sowie Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz. Diese Beschränkung wurde vorgenommen, um zum einen die Betreuungsqualität zu erhalten. Bei Personen, die nicht dauerhaft konsultierbar sind, beziehungsweise ihre medizinische Versorgung im Ausland erfahren, ist die Abklärung der Betreuungsvorraussetzung (s.u.) nicht gegeben. Außerdem gelten für die Nichtschweizer die Gesetze ihres Heimatstaates, mit denen EXIT nicht in Konflikt geraten will. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Grund für die unterbleibende Betreuung von Nicht-Schweizern ist der des möglicherweise aufkommenden Verdachts, die Öffnung geschehe zur finanzieller Bereicherung, welcher jedoch schon dadurch nicht haltbar ist, daß EXIT als Verein keine Gewinne erwirtschaften darf.

Des Weiteren zöge die Aufhebung einen so genannten Sterbetourismus nach sich, der von EXIT abgelehnt wird, jedoch von anderen ähnlich organisierten Vereinen in der Schweiz durchgeführt wird. Außerdem sind unnatürliche Tode und deren Bearbeitung besonders von Ausländern sehr kostenintensiv, so daß der Steuerzahler des Kantons Zürich über eine viertel Millionen Franken für die Bearbeitung ausländischer Suizidenten ausgeben mußte, während die entsprechenden Begleitorganisationen das Geld für ihre Dienste einbehielten. Allerdings behält sich EXIT das Recht vor, Ausländern zu helfen, wenn diese in enger Beziehung zu EXIT-Mitgliedern stehen.

Das EXIT-Mitglied zahlt jährlich 35 SFr oder schließt eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit ab, was mit einer einmaligen Zahlung von 600 SFr verbunden ist. Die Sterbebegleitung schafft für das Mitglied keine vermehrten Kosten, wenn es letzteres abgeschlossen hat, beziehungsweise mindestens drei Jahre lang herkömmliches Mitglied gewesen ist. In allen anderen Fällen ist mit einer Zahlung von mindestens 600 SFr zu rechnen. Zu diesen kommt es unter anderem wegen des in der Regel weit von sich geschobenen Gedankens an das eigene Sterben, das jedoch im Falle einer neu auftretenden, gravierenden Erkrankung zentrales Thema wird, das nun mittels EXIT möglichst professionell und zügig überwunden werden soll. Gerade jedoch gegen diese spontanen Sterbewünsche wehrt sich EXIT durch derartige finanzielle Forderungen, da er sich nicht als rein sterbebegleitender Verein sieht.

Durchführung des assistierten Suizids

Für die Durchführung eines assistierten Suizids gelten folgende Vorraussetzungen: Urteilsfähigkeit, Dauerhaftigkeit des Todeswunsches und eine hoffnungslose Prognose, die mit unerträglichen Beschwerden oder einer unzumutbaren Behinderung einher geht. Da die Urteilsfähigkeit Thema der weiteren Arbeit ist, wird sie hier nicht näher erläutert.

Die Hoffnungslosigkeit auf Grund der Prognose ist ein wesentliches Kriterium. Alle Krankheiten, die den Patienten für die Sterbebegleitung prädestinieren, müssen ärztlich attestiert sein. Bei alterungsbedingten Beschwerden, die als unerträglich beziehungsweise Behinderungen die als unzumutbar gelten, wird jedem Einzelnen das Recht auf Selbsteinschätzung und daraus resultierende Konsequenz zugesprochen.

So gab es unter anderem in der Vergangenheit den Fall eines 91-jährigen Mannes der infolge eines Schlaganfalles unter anderem nicht mehr in der Lage war, sein Cello zu spielen, was ihn dazu veranlasste sich an EXIT zu wenden, mit der Bitte sein Leben zu beenden. Um sicher zu stellen, dass es sich beim Suizidwunsch nicht um eine Kurzschlussreaktion handelt, wurde neben den Kosten für EXIT-Quereinsteiger auch die Dauerhaftigkeit des Todeswunsches als Kriterium aufgenommen, wobei jedoch von einer anfänglichen fixen Mindestbegleitzeit von drei Monaten abgesehen wurde, die im Falle eines sehr schwer verlaufenen Krankheitsgeschehens nicht mit dem eigentlichen Ziel der Minderung des Leidens zu vereinbaren war.

So dauert die Begleitung zum Teil einige Tage bis Wochen wie zum Beispiel bei schnell verlaufenden Tumorerkrankungen. Aber auch eine Begleitung über Jahre ist nicht unüblich bei Patienten, die an chronischen, langsamen voranschreitenden Erkrankungen leiden. Ihnen hilft oft schon das Wissen um die Möglichkeit, ihrer zum Teil erheblichen Qual mit kompetenter, legalisierter Hilfe entkommen zu können. Lediglich ein Drittel der beantragten Sterbebleitungen finden wirklich statt.

Nachdem der Patient alle oben genannten Kriterien erfüllt hat, besorgt ihm sein behandelnder bzw. ein EXIT angehörender Arzt zu einem in Absprache getroffenem Termin, der bis zum letzten Moment widerrufbar ist, das tödliche Medikament. Es handelt sich hierbei um Natrium-Pento-Barbital, das in einer dreifach letalen Dosis für gewöhnlich oral aufgenommen wird oder aber in zunehmendem Maße (14%) parenteral bzw. über eine liegende PEG appliziert wird.

Es wird dem Klienten, um Mißbrauch zu verhindern, erst zum Termin übergeben und von diesem im Beisein von mindestens zwei Zeugen eingenommen. Um bei oralen Gabe der Gefahr des Fehlversuchs infolge einer durch das Medikament hervorgerufenen Übelkeit entgegen zu wirken, bei der das Medikament wieder heraus gebracht werden könnte, wird im voraus ein Antiemetikum gegeben. Nach Aufnahme des Gifts fällt der Patient innerhalb weniger Minuten in einen tiefen Schlaf, der sich bis ins Komatöse steigert und letztendlich in einer Atemdepression endet, der der Patient ohne jede Regung erliegt. Vom Moment der Applikation bis zum Todeseintritt liegt in der Regel weniger als eine halbe Stunde.

Ein anderer Arzt als der Sterbehelfer muß den Totenschein ausfüllen. Außerdem werden sämtliche Dokumente, wie zum Beispiel Begleitungsprotokoll, Freitoderklärung und Krankenberichte, der örtlichen Polizei übergeben, bei der der abzusehende unnatürliche Tod bereits im voraus angemeldet ist.

Assistierter Suizid in Zahlen

Georg Bosshard veröffentlichte 2003 eine Studie, die EXIT und sein Klientel mittels der gesammelten Daten von 1990 bis 2000 klar darstellbar macht.

So ist der Durchschnittskunde 73 Jahre alt und zu etwas mehr als der Hälfte weiblich (54,4%). Die Ursache für die Konsultation ist in annähernd der Hälfte der Fälle (47%) das Vorliegen einer Krebserkrankung gefolgt von ca. 30 Prozent der Patienten, die unter kardiovaskulären/respiratorischen (11,8%), neurologischen (12,4%) Erkrankungen bzw. AIDS/HIV (7,3%) leiden.

Verbleibenden 20 Prozent kommt das Feld der multimorbiden Erscheinungen zu, die jedoch zum Teil ohne fatale Auswirkungen geschildert werden, sondern vielmehr von ihren Trägern individuell als lebensunwert eingeschätzt werden. Fast jeder zwanzigste aller in der Schweiz an Multipler Sklerose erkrankten wählte die Lebensbeendigung mit EXIT.

Die Anzahl der Suizidbegleitungen hat sich im Vergleich von Beginn der Studie bis zu deren Ende nahezu verdreifacht, was den Effekt hatte, das EXIT jeden fünfhundertsten Todesfall Ende der neunziger Jahre in Schweiz hervorbrachte.

Fallbeispiele und Diskussion des assistierten Suizids psychisch Kranker

Der Fall Netty Boomsma

Eine der ersten großen Suizidbegleitungen, die im medizinischen Rahmen Beachtung fand, war 1991 in den Niederlanden die des Dr. Chabot an seiner Patientin Netty Boomsma. Im Alter von fünfzig Jahren erbat sie von ihm entsprechende Assistenz.

Nachdem sich 1986 der ältere ihrer beiden Söhne zwanzigjährig suizidierte, manifestierte sich erstmalig der Wunsch dem Leben ein Ende zu bereiten, wurde jedoch zugunsten des jüngeren Sohnes verworfen, der fortan die einzige positive Lebensaussicht für Frau Boomsma darstellte, die bis zur Trennung von ihrem Mann im Jahre 1988 sehr stark unter diesem litt. Auf Grund der Betreuung des zweiten Sohnes wurde die Trauer um den ersten sehr stark unterdrückt. Ihr zweites Kind erlag 1991 zwanzigjährig einem Tumorleiden, was ihr endgültig den Boden unter den Füßen weg zog und das Gefühl der Sinnlosigkeit ihres Lebens vermittelte, weshalb sie einen Suizidversuch mit Tabletten unternahm, der jedoch ohne Erfolg für sie endete.

Sie setzte ihr Leben fort mit dem konkreten Ziel, es möglichst bald und mit Sicherheit zu beenden, weshalb sie drei Monate nach dem Tod des Letztgeborenen Kontakt mit der Niederländischen Gesellschaft für Freiwillige Euthanasie – einem Äquivalent zu EXIT - aufnahm und somit an Dr. Chabot gelangte, der für diese Gesellschaft die psychiatrische Betreuung suizidaler Patienten übernommen hatte. Innerhalb eines Monats kam es zu Gesprächen mit einer Gesamtdauer von ca. 24 Stunden, die den Arzt eine seit fünf Jahren hingezogene, pathologische Trauerreaktion mit depressiver Stimmung diagnostizieren ließen.

Den therapeutischen Weg der Trauerarbeit lehnte sie mit der Begründung, sie wisse vom Tod ihres ersten Sohnes, was es bedeute zu trauern und dafür nicht noch einmal bereit wäre, ab. Auch eine Therapie mit Antidepressiva lehnte sie, mit der Begründung sich nicht besser fühlen zu wollen, ab, da es für sie als kinderlose Mutter keinen Lebenssinn gebe, was Dr. Chabot, der sie als starke und gleichzeitig sensible Frau beschrieb, akzeptierte und ihr somit den Weg für den anstehenden Suizid ebnete.

Die Schilderung dieses Falles als Einstieg für die Diskussion, obwohl es kein EXIT-Beispiel ist, erfolgte auf Grund der deutlich erkennbaren Herleitung des Suizidwunsches der psychisch Erkrankten, was in den EXIT-bezogenen Artikeln kaum so anschaulich beschrieben ist.

EXIT in der Kritik

Exit geriet im Jahre 1999 unter öffentlichen Beschuß, als die Suizidbegleitung einer 30-jährigen Patientin, die ausschließlich unter Depressionen litt und deren Todeswunsch auch von der Familie unterstützt wurde, durchgeführt werden sollte, was jedoch behördlich unterbunden werden konnte.

Bis dato waren einige Patientenbegleitungen vorgenommen worden, bei denen zum Teil psychiatrische Erkrankungen bzw. zumindest aber eine psychiatrische Konsultation im jeweiligen Lauf des Lebens zurück lagen. Da sich EXIT zu jedem Zeitpunkt als Behandlungskriterium für eine mögliche Suizidassistenz die Urteilsfähigkeit festgehalten hat und nun diesbezüglich mit massiven Vorwürfen konfrontiert wurde, wurde mit der Verabschiedung der Solothurner Erklärung noch im selben Jahr die totale Unterlassung von assistierten Suiziden bei psychisch Kranken verkündet.

Eine Beleuchtung der Begleitungen der vorangegangenen Jahre, förderte verschiedene, zum Teil schwer zu rechtfertigenden Fälle zutage. Hierfür wurden die den Behörden übergebenen Ex-Patientendaten der Untersuchergruppe zugänglich gemacht und EXIT mit jenen Fällen konfrontiert, in denen psychiatrische Auffälligkeiten in den Dokumenten wie zum Beispiel Krankenhausaufzeichnungen zu finden waren. Bei diesen schriftlich festgehaltenen Fakten kam es durchaus zu deutlichen Diskrepanzen, so daß die Begleitung einiger Patienten mit forciert reinem Gewissen geschah, in dem heikle Diagnosen in die EXIT-Dokumentation nicht übernommen wurden.

Zwischen 1992 bis 1997 kam es in den ingesamt 450000 Einwohner zählenden Halbkantonen Basel-Stadt und Basel-Land zu insgesamt 460 erfaßten Selbstmorden, wovon 43 von EXIT begleitet wurden. Bei sechs Patienten konnten in den Untenlagen psychiatrische Auffälligkeiten in der Krankengeschichte festgestellt werden, was 14% entspricht und deutlich unter der mit über 37% liegenden Quote der unbegleitet Suizidierten liegt.

Diesen Umstand kann man zum einen einer gewissen Selektion nach den EXIT-Kriterien zuschreiben, darf aber andererseits nicht mißachten, daß der Durchschnittssuizident dieses Vereins im Schnitt ein Alter von 73 Jahren hat und andererseits zum Teil unter einschränkenden Beschwerden leidet bzw. unsicher bezüglich der sicheren Selbsttötung ist und deshalb professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, wogegen bei jüngeren Menschen der Selbstmord selbst aus dem Affekt heraus auf Anhieb erfolgreich sein kann. Hätte der Tablettenversuch der Netty Boomsma den erhofften Erfolg gehabt, wäre auch sie nicht an Dr. Chabot geraten und wäre eine zwischen ihren Söhnen ruhende, anonyme Tote.

Exit-Fallbeispiele

Beim ersten der sechs Fälle handelt es sich um eine 68 Jahre alte Frau, die bereits zwei Suizidversuche hinter sich hatte und wegen einer reaktiven Depression ambulant versorgt wurde. Zusätzlich empfand sie starke, abdominelle Schmerzen, die sie einem sich ausbreitenden Tumor zuschrieb, was jedoch in keiner der darauf folgenden Operationen nachgewiesen werden konnte, was dazu führte, daß ihre Diagnose auf eine depressive Neurose erweitert wurde.

Nachdem ihr pflegebedürftiger Lebenspartner verstarb, entschloß auch sie sich, ihr Leben assistiert zu beenden. Eine veranlaßte Autopsie zeigte keinerlei pathologische Veränderungen, die Ursache für den angegebenen Schmerz hätten sein können.

Der zweite Fall stellt ebenfalls eine Frau dar, die sich mit 65 Jahren zum Tode verhelfen ließ. Sie war Trägerin eines inoperablen, metastasierenden Bronchialkarzinoms, das ihr in den letzten Wochen ihres Lebens vermehrt Luftnot bescherte und zur EXIT-Konsultation führte. Zehn Jahre zuvor hatte sie bereits einen Suizidversuch absolviert. Im Rahmen einer Beziehungskrise und Streß am Arbeitsplatz nahm sie erfolglos eine Überdosis Diazepam zu sich.

Im Rahmen der darauf folgenden Therapie ihrer depressiven Entwicklung stieß der behandelnde Arzt auf eine starke Abwehr der Patientin, sich ihren Problemen zu stellen. Trotz allem stabilisierte sich ihre Situation bis zur dramatisch werdenden finalen Phase in der sie EXIT konsultierte und jegliche eingreifende Therapie ablehnte.

62-jährig war der Patient des dritten Falls, der wegen einer Tumorerkrankung der Lunge in stationäre Behandlung ging, wo ein psychiatrisches Konsil absolviert wurde, da er besonders durch ängstlich-depressives Verhalten auffiel, jedoch gegenüber dem konsultierenden Arzt keinerlei Selbsttötungsabsichten einräumte.

Dieser stellte dieser anamnestisch fest, daß der Patient seit seiner Jugend unter einer Depression und aktuell unter den Folgen einer Alkoholintoxikation gelitten habe. 49 Tage nach dieser Diagnose meldete sich der Patient bei EXIT an und weitere zwei Wochen später ließ er sich das lebenbeendende Medikament aushändigen und verstarb.

Fall 4 zeigt einen 35-jährigen Patienten mit zerebraler Raumforderung, der ebenfalls während des stationären Aufenthalts konsiliarisch psychiatrisch versorgt wurde, was darauf hinauslief, daß ihm ein Depersonalisations- und Derealisationssyndrom diagnostiziert wurde, wobei auch hier keine Suizidabsicht festgestellt werden konnte.

Eine psychiatrischorientierte Therapie erfolgte nicht, wohl aus dem Grunde der neurosubtantiellen Schädigung, die sich im späteren Verlauf als Glioblastoma multiforme herausstellen sollte. Psychiatrisch auffällig war der Patient allerdings 13 Jahre zuvor, als er mit einer schweren depressiven Verstimmung mit Stupor auf einen Einberufungsbescheid reagierte. Infolge der infausten Diagnose nahm er sich in Begleitung vier Monate nach dem Konsil das Leben.

Fall 5 zeigt einen 60-jährigen HIV positiven Akademiker, der wegen starker Verwirrtheit und deutlich psychisch auffälligem Verhalten in der Öffentlichkeit gegen seinen Willen in die psychiatrische Klinik gebracht wurde, wo dieser Zustand medikamentös abgemildert werden konnte. Er berichtete von einer Bewußtseinsveränderung, die er in den letzten Tagen wahrgenommen habe, wobei nicht klar war, ob diese aus einem Medikamentenabusus resultierte oder Zeichen einer HIV-Enzephalopathie war.

Zusätzlich war eine Schizophrenie der Mutter bekannt und zwei Suizidversuche des Patienten vor 20 bzw. 40 Jahren. Nach zehn Tagen folgte die Entlassung des bei der Aufnahme als wahnhaft geltenden Mannes, der im weiteren jegliche Therapie psychiatrisch wie internistisch ablehnte und nur noch einmal die Klinik aufsuchte, um sich die Unterlagen für EXIT zu holen, mittels dem er keine zwei Wochen nach der Entlassung den Suizid vollführte.

Im letzten, sechsten Fall stand wieder eine Frau im Mittelpunkt. Sie wurde 87-jährig in die Psychiatrie eingewiesen, nachdem sie ihren Angehörigen von Selbstmordgedanken erzählt hatte. Ihr Partner war vor 16 Jahren verstorben und sie war inzwischen multimorbide, so daß nicht einmal der Einkauf von ihr auszuführen sei. Ein dauerhaftes, schmerzhaftes Rachenbrennen führte sie auf Chlor, daß sie mal getrunken habe, zurück, was zur Diagnose der wahnhaften Depression führte, da kein organisches Substrat für den angegebenen Schmerz gefunden werden konnte.

Sechs Wochen war die Frau hospitalisiert mit dem Ergebnis eines leichten Rückgangs des Todeswunsches. Zwei Tage später meldete sie sich bei EXIT um nach weiteren sieben Wochen ihr Leben beendet zu haben.

Diskussion der Fälle

In den geschilderten Fällen treten grundsätzlich, der erste Fall stellt hier mit der ausgebliebenen Organdiagnose eine Ausnahme dar, organische Erkrankungen gepaart mit psychischen Störungen auf bzw. liegen letztere in der jeweiligen Geschichte des Einzelnen. Es kann hier kein identischer Fall vorgewiesen werden, wie jener die Debatte auslösende.

Einer der von Frei und Kollegen eingebrachten Einwände ist der, daß selbst bei Depressionen, die aus schlechter körperlicher Verfassung resultieren, mittels Medikamenten eine Stimmungsbesserung zu erzielen wäre, was von entsprechenden Suizidabsichten ablenken würde. Gerade die Fälle, in denen kein psychatrisches Konsil innerhalb der letzten Monate gelaufen war, werden kritisiert mit Verweis auf vergangene psychiatrische Phänomene und bereits absolvierte Suizidversuche, die in der Anamnese Erwähnung gefunden haben müßten. Die zurückliegenden Todesgedanken erführen durch die auftretende Symptomatik erneute Aktualität und Stärkung. Fraglich ist es jedoch, ob das subjektive Erleben eines Krankheitsverlaufs mit infauster Prognose nicht prinzipiell betrüblich macht und bei Menschen mit schlechten Copingstrategien zum Suizidwunsch führt.

Der Wunsch der Gleichbehandlung von rein psychisch und somatisch Kranken steht auf Grund der zum Teil schwer zu stellenden Prognose psychiatrischer Erkrankungen auf schlechtem Posten. So wurde zum Beispiel im Fall der Netty Boomsma kritisiert, daß der assistierte Suizid in relativ kurzer Zeit nach dem Tod ihres zweiten Sohnes durchgeführt wurde. Es bleibt jedoch zu bedenken, daß sie zum einen seit über fünf Jahren unter dem Tod des ersten Sohnes litt und zum anderen keinerlei Therapie annahm, was eine Prognose zum Besseren unwahrscheinlich werden ließ.

Vielmehr hätte es zu dem Phänomen geführt, daß auch EXIT kritisiert hat, nämlich die Patientin hätte wie diverse andere Patienten auch, die auf Grund psychischer Begleiterkrankungen abgelehnt wurden, in Eigenregie einen bzw. einige weitere Suizidversuche hinter sich gebracht.

Festzuhalten ist, daß der dauerhafte Todeswunsch, wie er von EXIT gefordert wird, kein ausreichender Suizidbegleitungsgrund ist, wenn nicht auch die somatische Schädigung gravierend genug ist. Allerdings sollte im Moment der somit erzwungenen Absage der Begleitung auf Grund unzureichend schlechter Prognose eine Information an den Patienten behandelnden Psychiater entsandt werden, bzw. eine Institution informiert werden, wenn ein Patient ohne körperliche Beschwerden hochsuizidal eine entsprechende Anfrage stellt.

Eine beschriebene autonome Selbsttötung könnte jedoch zu unterbinden sein, wenn an die Aufnahme rein psychisch Kranker strenge Gesetzmäßigkeiten gebunden wären, deren Befolgung von entsprechenden Vereinen fest eingehalten werden müßte. So wäre zum einen ein großes Zeitfenster möglich, das einzuhalten wäre und in welchem ein gewisses Mindestmaß an Therapie absolviert werden muß, um nach erfolglosem Versuch sicher begleitet Sterben zu können. Bei anhaltendem Todeswunsch nach über einem halben oder ganzen Jahr Therapie, sollte dieses Recht gewährt werden. Außerdem führt die Hospitalisierung, sowie therapeutische und medikamentöse Behandlung zu erheblichen Kosten.

Nach der Solothurner Erklärung

Nachdem EXIT die Solothurner Erklärung verabschiedete und die Reaktion auf die Ablehnung wahrnahm, kam es mit Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder 2003 zur Berufung einer Expertengruppe um Georg Bosshard, die sich mit der Urteilsfähigkeit psychisch Kranker beschäftigte.

Die Autonomie ist laut Bosshard ein gravierender Punkt in der Einschätzung der Urteilsfähigkeit. Es handelt sich hierbei im speziellen um die situative Autonomie, im Rahmen derer der Einzelne angemessen über eine Sache informiert sein muß, die Fähigkeit besitzen eine Handlung inklusive der Folgen richtig einzuschätzen und auf Grund dessen frei zu entscheiden, ohne dabei von Dritten beeinflußt zu werden.

Es wird festgehalten, daß Suizidalität ein grundsätzlich pathologisches Verhalten darstellt, es jedoch in seltenen Fällen, zum Beispiel im Rahmen einer Selbsteinschätzung eines chronisch Schizophrenen außerhalb seiner pathologischen Phasen, auch zu wohlerwogenem Suizidwunsch kommen kann, wobei auch hier die vorangenannten Punkte berücksichtigt werden müssen. Besteht das nötige Verständnis, ist das Ausmaß und mögliche Alternativen klar und deckt sich die bevorstehende Handlung mit der ethischen Grundeinstellung zum Leben des Patienten, wäre dem Suizid nichts engegen zu setzen.

Der Bericht endet mit der Empfehlung für EXIT die Solothurner Erklärung außer Kraft zu setzen unter der Vorraussetzung sich einige Maßregeln anzunehmen. Es sollte bei auffälligen Patienten immer ein psychiatrisches Gutachten eines nicht EXIT-zugehörigen Arztes verlangt werden, daß über die Urteilsfähigkeit hinaus das Wissen über Behandlungsalternativen und Optionen zur Verbesserungs der Situation feststellt.

Es sollte eine mindestens dreimonatige Frist zwischen Gutachten und Suizidtermin liegen, die jedoch vom Gutachter auch deutlich länger festgesetzt werden kann, um die Dauerhaftigkeit des Suizidwunschs bestätigt zu sehen. Schließlich sollte keine Sterbebegleitung in psychiatrischen Kliniken und Abteilungen geleistet werden.

Dr. Bosshard und Kollegen empfahlen, bis zum Auftreten neuer Negativerscheinungen das Moratorium zu widerrufen, was EXIT im Herbst 2004 auch tat.

Der Psychiater und der assistierte Suizid

Nachdem die Situation der Suizidenten und der ihnen Helfenden dargestellt wurde, soll nun abschließend die Rolle des Arztes im Rahmen der Suizidbegleitung Thema sein.

Steht der Arzt für gewöhnlich im Dienst des Lebens, verkehrt sich seine Funktion im Rahmen des assistierten Suizids ins Gegenteil. Der Patient, dem er bisher die Beschwerden zu nehmen versucht hat, bittet ihn um die Beendigung seines Lebens auf Grund des ausbleibenden therapeutischen Erfolgs. Dieser Rollenwandel stellt eine erhebliche Gewissensentscheidung dar, beim somatisch Kranken etwas weniger als bei Patienten mit psychischer Erkrankung wie im Fall Netty Boomsma.

Die Verantwortung am Tod eines Patienten wird selten so bewußt, als in dem Moment, in dem er bittet, ihn zu töten oder ihn dabei zu unterstützen. Doch reicht ein Arzt diesen Finger dem Patienten schon, wenn er ein Medikament verschreibt, das dieser nun in Überdosierung in seinem Besitz hat. Den Gegensatz dazu stellen Vorrichtungen dar, wie sie unter anderem in Australien oder den USA verwendet werden. So wird zum Beispiel der Patient vom Laptop des Arztes gefragt, ob er die tödliche Injektion gespritzt bekommen will, was er mit Tastendruck bestätigen muß, woraufhin die todbringende Infusion einläuft, während der Arzt teilnahmslos anwesend ist.

Besonders heikel ist der Wunsch nach Suizid in der Psychiatrie, da er wie geschildert für gewöhnlich als pathologisch einzuschätzen ist. Es ist von vornherein eine feste Einstellung gegen den Wunsch des Patienten empfehlenswert, damit sich eine klare Beziehung zwischen Patient und Arzt heraus kristallisiert, die eventuell zur Neuorientierung des Patienten führt.

Dr. Chabot führte genau das Gegenteil vor, indem er menschliche Milde walten ließ. Es darf allerdings nicht vergessen werden, daß er für eine Suizidgesellschaft arbeitete und somit nicht so viel Widerstand entgegen gebracht haben wird, wie der Psychiater im regulären Klinikalltag. Dieser versucht den dem Leben schadenden Störungen zuzusetzen wie das Antibiotikum dem Bakterium und sähe im vollführten Suizid die totale Niederlage.

Im Suizid kommt nicht nur der Bruch mit dem eigenen Leben zu Ausdruck, sondern vielmehr mit der gesamter Gesellschaft, von der sich mittels Suizid deutlich gelöst wird. Es zeigt neben der Wertlosigkeit des eigenen Person die der Gesellschaft, als deren Anwalt nun der Arzt zu vermitteln sucht und den Patienten aus der äußersten Einsamkeit heraus zurück ins Leben ziehen will und soll. Scheitert der Arzt und der Patient wählt unabänderlich den Tod, so stellt es nicht nur den Verlust eines Patienten dar, sondern zeigt vielmehr daß er der Profession des Psychiaters nicht gerecht werden konnte, die von gesellschaftlicher Seite erwartet wird.

Resümee und Vergleich

Es ist also festzustellen, daß der assistierte Suizid an psychisch Kranken weiterhin bzw. wieder unter EXIT erfolgt, wobei jedoch verstärkt die gesetzten Beschränkungen Anwendung finden werden.

Auch in Deutschland gibt es einen ähnlichen Verein, die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), die ebenfalls der Right-to-die-society angehört und entsprechend mit den Zielen von EXIT übereinstimmt, wobei deutlich gesagt werden muß, daß obwohl die rechtliche Möglichkeit für den assistierten Suizid besteht, dieser kaum eine Lobby hat, weshalb sich die DGHS um Aufklärung und eine Humanisierung der Sterbens bemüht.

Einen entscheidendes Wort dagegen spricht jedoch die Deutsche Ärzteschaft, die den Dienst am Menschen in dieser Form ablehnt und für geäußerte assistierte Suizidwünsche die direkte Weiterleitung des Patienten an ein Hospiz bzw. einen Kollegen der Psychiatrie empfiehlt.

Quellenverzeichnis

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  2. Brockhaus-Wissen 2004 (CD-Rom),Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim, 2004
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  10. A. Frei, T. Schenker, A. Finzen, U. Hoffmann-Richter(1999): Beihilfe zum Suizid bei psychisch Kranken, Nervenarzt 70: 1014-1018
  11. G. Bosshard, M. Kiesewetter, K. Rippe, C. Schwarzenegger: Suizidbeihilfe bei Menschen mit psychischen Störungen, Expertenbericht zu Händen von EXIT-Deutsche Schweiz, 2004
  12. Vollmann, Jochen: Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Sterbebegleitung, Robert Koch Institut, Berlin, 2003

Weblinks

  1. EXIT - Schweiz
  2. Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben
  3. Swiss Medical Weekly