Sehbahn
Definition
Als Sehbahn bezeichnet man speziell-somatosensible Fasern von der Retina zu primären und sekundären visuellen Cortexarealen des Großhirns. Der Sehnerv (Nervus opticus) bildet einen Teil der Sehbahn.
Aufbau
Die Sehbahn setzt sich aus mehreren, hintereinander geschalteten Nervenzellen zusammen. Die ersten drei Neurone befinden sich dabei allesamt in der Retina. Die Fasern des dritten Neurons ziehen von der Retina aus nach intrakraniell.
Erstes Neuron
Das erste Neuron der Sehbahn sind die Sinneszellen der Netzhaut, die Stäbchen und Zapfen. Sie bilden die äußere Körnerschicht (Stratum nucleare externum, ONL) der Retina.
Zweites Neuron
Die Stäbchen und Zapfen projizieren auf bipolare Nervenzellen der Netzhaut, in denen die Impulse auf das zweite Neuron verschaltet werden. Sie liegen in der inneren Körnerschicht (Stratum nucleare internum, INL) der Netzhaut.
Drittes Neuron
Das dritte Neuron liegt in den Ganglienzellen der Netzhaut, die in der Retina sehr weit innen im Stratum ganglionare liegen und damit dem Licht zugewandt sind. Ihre Fortsätze verlaufen im Stratum neurofibrarum an der inneren Netzhautoberfläche und konvergieren an der Sehnervenpapille. Gemeinsam treten sie durch die Lamina cribrosa der Sklera und bilden dann den zweiten Hirnnerv, den Nervus opticus.
Viertes Neuron
Der Nervus opticus zieht durch den Canalis opticus in die Schädelhöhle und vereinigt sich mit dem Nervus opticus der Gegenseite im Chiasma opticum, in dem die Fasern aus der nasalen Retinahälfte kreuzen. Das Corpus geniculatum laterale, in dem die Information auf das vierte Neuron verschaltet wird, erhält somit Information von der kontralateralen nasalen und der ipsilateralen temporalen Netzhauthälfte. Vom Corpus geniculatum laterale zieht die Radiatio optica zur primären Sehrinde.
Primäre Sehrinde
Die primäre Sehrinde befindet sich im Sulcus calcarinus, der Area 17 nach Brodmann.
Sekundäre Sehrinde
Die an die primäre Sehrinde angrenzenden Cortexbereiche stellen die sekundäre Sehrinde dar (Area 18 und Area 19 nach Brodmann).
Zusammenfassung
- Stäbchen/Zäpfchen (Retina)
- bipolare Zellen (Retina)
- Ganglienzelle (Retina) + Fortsätze (Nervus opticus)
- Chiasma opticum
- Corpus geniculatum laterale (Thalamus)
- Radiatio optica
- primärer visueller Cortex (V1).
- Radiatio optica
- Corpus geniculatum laterale (Thalamus)
- Chiasma opticum
- Ganglienzelle (Retina) + Fortsätze (Nervus opticus)
- bipolare Zellen (Retina)
Blutversorgung
Die Sehbahn wird durch unterschiedliche arterielle Blutgefäße versorgt. Sie erhält Äste der Arteria communicans posterior und der Arteria choroidea anterior sowie Zweige des Circulus Willisi.
Physiologie
Die Sehbahn lässt sich funktionell in drei Systeme untergliedern:
- magnozelluläres System (Bewegungssehen)
- parvozelluläres System (Farb- und Formsehen)
- koniozelluläres System (Optomotorik)
Embryologie
Die Nervenfasern der Sehbahn entstammen dem Neuroektoderm, das auch das Ursprungsgewebe der Retina und des retinalen Pigmentepithels (RPE) ist. Der spätere Sehnerv entwickelt sich aus dem Augenbecherstiel, der als Leitstruktur für das Aussprossen der Axone der retinalen Ganglienzellen ab der 8. Entwicklungswoche dient. Durch Apoptose der retinalen Ganglienzellen zwischen dem 2. und 8. Entwicklungsmonat vermindert sich die anfangs sehr hohe Anzahl von Axonen von etwa 2,6 Millionen auf 1,1 Millionen. Dadurch können Bindegewebszellen und Gliazellen als Unterstützungsgewebe in den Sehnerv einwandern.[1]
Quellen
- ↑ Mehra D, Moshirfar M. Neuroanatomy, Optic Tract. [Updated 2023 Jul 24]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK549840/